Zwei Jahre Machtübernahme der Taliban in Afghanistan
Familienangehörige von in Bayern lebenden Afghan:innen im Stich gelassen
Bereits zum zweiten Mal jährt sich die Machtübernahme der Taliban. Immer noch sind tausende Menschen in Gefahr, die nicht aus dem Land fliehen können. Besonders Frauenrechtler:innen, ehemalige Ortskräfte sowie ehemalige Mitarbeitende der Afghanischen Regierung sind bedroht.
In Bayern lebende Ortskräfte und Afghanen fühlen sich im Stich gelassen. Sie sind in den Jahren 2021 und 2022 mit der Hoffnung ausgereist, ihre Familienangehörigen so schnell wie möglich nachholen zu können. Doch das ist entweder sehr langwierig oder gar unmöglich, wenn es sich nicht um die Kernfamilie handelt.
Wie schwierig und lebensgefährlich die Situation für Angehörige von Ortskräften sein kann, zeigt einer von tausenden Fällen der Familie A. Herr A., ist im November 2022 nach Deutschland ohne seine Familie eingereist und lebt seither in Bayern. Am 13.8.2023 reisen seine Frau und eins seiner Kinder endlich nach. Sein zweijähriger Sohn ist mit einem Herzfehler geboren und muss dringend operiert werden. Die Behandlung ist in der Region Afghanistan und Pakistan unmöglich. Die Familie bekam einen Sondertermin in der Botschaft und ein Schnellverfahren. Es dauerte dennoch viele Monate bis das Visum ausgestellt wurde. Die Ausreise wurde finanziell nur möglich mit Hilfe von privaten Spender:innen und kirchlichen Mitteln. Das Tragische: vier weitere minderjährige Kinder müssen zunächst zurückbleiben, weil die bürokratischen und finanziellen Hürden bisher zu hoch waren.
„Als die Taliban Afghanistan übernommen haben, waren wir alle schockiert. Niemand konnte sich vorstellen, wie es weitergeht. Wir mussten erstmal nur weg. Ich bin in den Iran geflohen und habe ein Jahr gebraucht, bis ich in Deutschland angekommen bin. Meine Familie wurde nach meiner Ausreise mehrfach von Taliban bedroht“, schildert Herr A. seine Situation und die anderer bedrohter Personengruppen.
So wie seiner Familie geht es vielen Angehörigen von hier lebenden Afghan:innen. Für normale Familiennachzugsfälle ohne Schnellverfahren sind vor allem die langen Wartezeiten auf Botschaftstermine und die hohen Kosten für die Passbeschaffung eine hohe oder unüberwindbare Hürde. Für Angehörige, die nicht zur Kernfamilie gehören, gibt es keine Option der Familienzusammenführung: volljährige Söhne und Töchter, verwitwete Mütter und Schwägerinnen bleiben alleingelassen.
Für tausende solcher Menschen, deren Leben in Gefahr ist, bleibt momentan nur das limitierte Bundesaufnahmeprogramm als einzige Hoffnung. Einige Bundesländer haben zusätzlich zum Bundesaufnahmeprogramm eigene Landesaufnahmeprogramme: Thüringen, Berlin, Hessen und Bremen. Diese Länder bieten schutzbedürftigen afghanischen Familienangehörigen die Möglichkeit der Einreise. In Bayern bräuchte es auch ein solches Aufnahmeprogramm, dies wird aber von der CSU bislang vehement abgelehnt.
„Seit die Taliban die Macht übernommen haben, gelten Menschenrechte in Afghanistan nicht mehr. Vor allem Frauen leiden darunter. Sie sind am meisten betroffen. Wir fordern Bayern auf, Verantwortung für bedrohte Afghan:innen zu übernehmen, statt an den Bund zu verweisen“, so Naqib Hakimi, Bayerischer Flüchtlingsrat.