Zur Innenminister:innenkonferenz – Appell an den bayerischen Innenminister
Flüchtlingsrat fordert Abschiebestopp für Êzîd:innen aus dem Irak und keine Abschiebungen in den Iran
Anlässlich der vom 19. bis 21. Juni 2024 stattfindenden Innenminister:innenkonferenz in Potsdam fordert der Bayerische Flüchtlingsrat den bayerischen Innenminister auf, sich anderen Bundesländern anzuschließen und einen Abschiebestopp von Êzîd:innen in den Irak zu unterstützen. Auch der Abschiebestopp in den Iran muss wieder eingeführt werden. In beide Länder schiebt Bayern, anders als andere Bundesländer, ohne Einschränkungen und Skrupel ab. Gemeinsam mit PRO ASYL appellieren wir an die Innenminister:innen von Bund und Ländern, jetzt Abschiebestopps für den Iran und für alle ezîdischen Menschen aus dem Irak zu beschließen.
Seit Mai 2023 sind Abschiebungen in den Irak wieder möglich. Während andere Bundesländer zögerlicher waren und landesweite Abschiebestopps für ezîdische Kinder und Frauen erließen, verfielen bayerische Behörden in einen regelrechten Abschiebungswahn – unter den Betroffenen sind auch Êzîd:innen. Dabei erkannte der Bundestag erst 2023 den Völkermord an den Êzîd:innen als solchen an. Die ezîdische Gemeinschaft in Deutschland ist eine der größten weltweit, viele davon leben auch in Bayern. Nach wie vor werden Êzîd:innen im Irak diskriminiert und aus ihren Gebieten vertrieben. Ein Leben in Sicherheit und Würde ist für sie im Irak gegenwärtig nicht möglich – wie auch das Gutachten von PRO ASYL und Wadi e.V. kürzlich herausstellte. All dies reicht für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge nicht aus, um hier einen Schutzstatus zu erteilen.
Immer mehr ezîdische Familien und Einzelpersonen erhalten Abschiebeandrohungen oder nicht verlängerte Duldungen. So auch Aziza K. (Name geändert):
Die 24-jährige Êzîdin Aziza K. reiste 2021 mit ihrem 22-jährigen Bruder und ihrer kranken Mutter ein. Ihre Asylverfahren wurden abgelehnt. Sie besucht aktuell einen Integrationskurs und lernt Deutsch, für die Berufsschule war sie im Gegensatz zu ihrem Bruder zu alt. Danach wollte sie wie ihr Bruder eine Ausbildung suchen. Drei weitere Geschwister leben seit längerem mit Aufenthalt in Deutschland, sie sind zu einer Zeit gekommen, in der Êzîd:innen eine Anerkennung im Asylverfahren bekommen haben. Aziza droht nun die Abschiebung in den Irak. In den ezîdischen Gebieten im Irak gibt es kaum Arbeit. Die Männer, die arbeiten, müssen aus den Dörfern als Tagelöhner in Städte reisen und kommen nur selten zu den Familien zurück. Êzîdische Frauen haben kaum eine Möglichkeit ihren Lebensunterhalt zu sichern. Alleinstehende Frauen wie Aziza sind demnach nicht nur den Diskriminierungen und Anfeindungen der muslimischen Mehrheitsgesellschaft ausgesetzt, sondern auch mittellos. Sie fürchten zudem Übergriffe muslimischer Männer, die sie als „Freiwild“ betrachten. Darüber hinaus leben immer noch 200 000 der Êzîd:innen in Flüchtlingslagern und können nach wie vor nicht zurück in ihre Herkunftsgebiete kehren, weil sie dort weder Land noch Häuser besitzen und traumatisiert sind vom vor 10 Jahren geschehenen Völkermord.
„Êzîd:innen in den Irak abzuschieben, heißt, Menschen in die Verelendung abzuschieben. Besonders stark sind davon Frauen und Kinder betroffen. Dies anzuerkennen und Abschiebungen auszusetzen, fordern wir von den Innenminister:innen“, sagt Jana Weidhaase, Sprecherin des Bayerischen Flüchtlingsrates.
Der Abschiebestopp in den Iran wurde nach Ablauf im Januar 2024 nicht mehr verlängert. Rein rechtlich ist es also möglich, in den Iran abzuschieben. Praktisch getan haben dies allerdings nur bayerische Behörden. Denn klar ist: auch wenn hier formal kein Abschiebestopp mehr vorliegt, kann niemand verlässliche Aussagen machen bzgl. der Sicherheit der Personen nach einer Abschiebung. Die Lage im Land ist weiterhin instabil. Die Zahl der Inhaftierungen und Hinrichtungen bedrückend. In bayerischen Behörden als auch im Innenministerium will man davon nichts wissen. Wenn Abschiebungen rechtlich und technisch möglich sind, werden sie hier durchgeführt – entsprechend einer „Dienst nach Vorschrift“ – Mentalität, bis man Anordnungen von anderer Stelle erhält.
„Der bayerische Innenminister zieht sich nur zu gerne aus der Verantwortung. Herr Herrmann verweist regelmäßig auf die Entscheidungen des Bundesamtes oder der Bundesinnenministerin und tut so, als hätte er selbst keine Entscheidungskompetenzen. Wo andere Landeskolleg:innen aktiv werden, ist in Bayern keine Spur von Eigeninitiative in Richtung menschenrechtsbasierter und humaner Politik“, so Weidhaase weiter.
„Es scheint: Der bayerische Innenminister will und kann nur abschieben. Jetzt gäbe es die Gelegenheit ein anderes Bild zu zeichnen und bei der Innenminister:innenkonferenz für die Abschiebestopps in den Irak und den Iran zu stimmen.“