Zivilgesellschaftliche Forderungen an die Innenminister:innen-Konferenz
PRO ASYL, Bundesfachverband UMF, Jugendliche ohne Grenzen, Bayerischer Flüchtlingsrat und Würzburger Flüchtlingsrat haben heute im Rahmen einer Pressekonferenz gefordert: „Bleiberecht und Aufnahme jetzt!“
Gut integrierte Geflüchtete werden von den Landesinnenminister:innen und -senator:innen abgeschoben, obwohl für sie zeitnah ein Bleiberecht in Aussicht steht. Tausende Menschen in Afghanistan, die sich für Demokratie und westliche Werte eingesetzt haben, bangen seit vielen Monaten um ihr Leben und eine Aufnahme nach Deutschland. Zu diesen Missständen haben heute die Organisationen PRO ASYL, Bundesfachverband unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (BumF), Jugendliche ohne Grenzen (JoG), Bayerischer Flüchtlingsrat und Würzburger Flüchtlingsrat Forderungen an die Innenminister:innen-Konferenz gestellt.
#BleiberechtJetzt und Abschiebestopp erlassen
242.000 geflüchtete Menschen leben in Deutschland mit dem unsicheren Status der Duldung, der Großteil von ihnen schon seit vielen Jahren. Die meisten sind aus dem Irak, Afghanistan, Nigeria, dem Iran oder aus russischen Teilrepubliken wie Tschetschenien geflohen und können auf absehbare Zeit nicht in ihr Herkunftsland zurück. Ihr Alltag ist geprägt von Perspektivlosigkeit, Angst vor einer Abschiebung und der Einschränkung sozialer Rechte.
Wiebke Judith, Teamleitung Recht & Advocacy bei PRO ASYL mahnte: „Die im Koalitionsvertrag angekündigten Verbesserungen beim Bleiberecht, gerade das Chancen-Aufenthaltsrecht, wären ein Rettungsanker für viele Menschen, die ständig mit der Angst vor Abschiebung leben müssen. Doch aktuell werden von den Bundesländern weiterhin Menschen abgeschoben, die zeitnah unter diese Bleiberechtsregelung fallen würden. Das muss ein Ende haben – zunächst durch ein entsprechendes Abschiebungsverbot oder Vorgriffserlasse und dann durch zügige Umsetzung der Vorhaben auf Bundesebene.“
Lennart Scholz vom BumF berichtete von dem Alltag der Jugendlichen: „Wir kennen viele Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene, die oft über Jahre in einem Schwebezustand gehalten werden, mit ständiger Angst vor der Abschiebung. Hier muss eine Kehrtwende vollzogen werden. Wir brauchen eine zeitnahe, großzügige und unbürokratische Umsetzung der angekündigten Änderungen der Bleiberechtsregelungen. Dabei müssen wir generell wegkommen von der engen Vorstellung einer ‚guten Integration‘. Anerkannt wird bisher meist nur Erfolg in der Schule und Lohnarbeit – um jeden Preis. Wir fordern die Anerkennung von vielfältigen Arten, in dieser Gesellschaft anzukommen, sich zu engagieren und einzubringen.“
Johanna Böhm, Sprecherin des Bayerischen Flüchtlingsrats, kritisierte insbesondere die Versuche des bayerischen Innenministeriums, die Bleiberechtsregelung zu unterlaufen: „Seit Monaten diskreditiert Bayerns Innenminister die geplanten Verbesserungen beim Bleiberecht als Förderprogramm für illegale Migration und weigert sich, einen Abschiebestopp anzuordnen. Stattdessen forciert Bayern die Abschiebung von Geflüchteten mit Einzel- und Sammelabschiebungen in nahezu alle Kriegs- und Krisenregionen dieser Welt. Zudem verweigern die bayerischen Ausländerbehörden immer häufiger die Erteilung der bereits jetzt schon bestehenden Bleiberechte. Auch der Vorsitzende der Innneminister:innenkonferenz muss solche Verfahrenstricks in seinem Bundesland abstellen, da sonst alle Verbesserungen ins Leere laufen würden!“
#DontForgetAfghanistan: schnelle Aufnahme, jetzt!
Seit der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan im August 2021 sind dort weiterhin Menschen, die zum Beispiel für deutsche Organisationen oder die Bundeswehr gearbeitet haben und deswegen von den Taliban verfolgt werden, in Lebensgefahr. Die versprochene Aufnahme durch die alte und neue Bundesregierung geht zu langsam voran und zu viele gefährdete Personen fallen nicht unter die eng gesteckten Kriterien.
Robina Karimi, Sprecherin bei JoG, forderte deshalb: „Es braucht funktionierende und unbürokratische Bundes- und Landesaufnahmeprogramme, die schnelle Aufnahme besonders gefährdeter Afghan:innen, eine Reform und Beschleunigung des Ortskräfteverfahrens und die Berücksichtigung aller gefährdeter Familienangehöriger bei der Aufnahme. Jede Sekunde die wir hier verlieren, verbringen die Menschen in Afghanistan in Todesangst. Für manche bedeutet es den Tod. Menschen in Afghanistan dürfen nicht im Stich gelassen werden.“
Demonstration in Würzburg
Am heutigen Nachmittag wird zudem eine Demonstration am Würzburger Hbf um 16:30 Uhr starten, zu der ein breites Bündnis aus Geflüchteten- und Menschenrechtsorganisationen aufgerufen hat. Sie fordern „Bleiberecht und Aufnahme jetzt!“ und erklären: „Wir stehen an der Seite aller Menschen, die bedroht sind – egal ob sie aus der Ukraine oder aus anderen Krisenregionen der Welt vor Krieg, Not und Verfolgung fliehen. Wir sagen: Es darf keine Geflüchteten erster und zweiter Klasse geben. Von den Innenminister:innen, die in Würzburg tagen, fordern wir daher: Vergesst die Menschen aus Afghanistan und anderen Ländern nicht!“
Weitere Informationen zu den Protesten rund um die Innenminister*innenkonferenz, alle Termine, den Aufruf, Flyer, Plakate und vieles mehr finden Sie auf der Website des Protestbündnisses unter: www.imk2022.bayern