Zahlreiche Unterkünfte für Geflüchtete unter Quarantäne
Bayerischer Flüchtlingsrat und IMEDANA e.V. kritisieren: Staatsregierung hat aus erster Welle nichts gelernt
In ganz Deutschland steigen derzeit die Coronazahlen massiv an. Diese Entwicklung hat sich bereits seit Wochen abgezeichnet. Und wieder trifft es Geflüchtete in Unterkünften besonders hart. Zahlreiche Einrichtungen stehen mittlerweile wegen Infizierungen der Bewohner*innen mit dem Coronavirus unter Quarantäne.
Schwer betroffen ist dabei das ANKER-Zentrum in Zirndorf. Dort hat sich mittlerweile mehr als ein Viertel der rund 200 Bewohnerinnen infiziert. Die Einrichtung steht seit zwei Wochen unter Quarantäne, ein Ende ist aufgrund immer neuer Positivtestungen nicht in Sicht. Nur wer nach einer überstandenen Coronainfektion wieder negativ getestet wird, darf die Einrichtung verlassen, alle anderen müssen abwarten, bis die gesamte Quarantänezeit beendet wird. Wie lange das dauert ist nicht abzusehen. Da das Gesundheitsamt fünf bis sechs Tage braucht, um die Testergebnisse mitzuteilen, müssen die Menschen zusätzlich oft länger als nötig im Isolierbereich ausharren. Das ANKER-Zentrum in Geldersheim stand indes schon mehrfach unter Quarantäne. Bereits im Frühjahr war die Einrichtung für acht Wochen dichtgemacht worden, als dort die ersten Infektionen unter Bewohnerinnen auftraten.
Ein weiteres Beispiel ist die von der Regierung von Oberfranken betriebene Gemeinschaftsunterkunft in Weismain. Seit Freitag, den 23. Oktober, befinden sich die ca. 250 Bewohner*innen unter Quarantäne. Die Unterkunft wird von Polizei und Securities abgeriegelt. Lebensmittel zur Versorgung der Menschen wurden allerdings erst am darauffolgenden Montag bereitgestellt. Bis dahin wurden die Menschen sich selbst überlassen, was ihre Verpflegung betrifft.
Eine adäquate Beratung der Menschen durch Sozialdienste und Beratungsstellen für besonders vulnerable Geflüchtete ist kaum mehr möglich, obwohl diese gerade jetzt dringend nötig wäre. Beratungen per Telefon und E-Mail oder im Schutzanzug durch nur eine Person sind nicht ausreichend und stellen die Menschen vor große Hürden. In den ANKER-Einrichtungen sind teilweise die Rechtsannahmestellen nicht besetzt, obwohl Bescheide weiterhin verschickt werden. Aus vielen Unterkünften wird auch nach wie vor abgeschoben.
„Die Meldungen von Unterkünften, die unter Quarantäne stehen, häufen sich. Anscheinend hat die Bayerische Staatsregierung nichts aus der ersten Welle gelernt“, kritisiert Franziska Sauer vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Wieder einmal zeigt sich, dass es unmöglich ist, in großen Unterkünften die notwendigen Abstände einzuhalten, um sich ausreichend vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat bereits im Frühjahr gefordert, dass die Belegung massiv entzerrt wird und dazu auch leerstehende Hotels und Jugendherbergen herangezogen werden können. In den Gemeinschaftsunterkünften ist die Unterbringung in Einzelzimmer dringend notwendig. Passiert ist aber trotz Entzerrungsversuchen zu wenig. Eine Durchseuchung der Bewohnerinnen und Bewohner wird anscheinend billigend in Kauf genommen.“
Sarah Meister von IMEDANA e.V. – Rosa Asyl ergänzt: „Gerade Personen besonders vulnerabler Gruppen wie alleinstehende Frauen und LGBTIQ* müssen auf Grund von Traumatisierungen in diesen Tagen besonders geschützt werden. Dafür fehlen unserer Meinung nach aber die Konzepte. Es zeigt sich einfach immer wieder: Massenunterkünfte wie ANKER-Zentren und große GUs stellen gerade in Zeiten von Corona eine große Gefahr dar und müssen dringend abgeschafft werden.“