Will Innenminister Herrmann Geflüchtete aushungern?
Bayerns Innenminister fordert Absenkung der Sozialleistungen für Geflüchtete, um Neuverschuldung im Bundeshaushalt gegenzufinanzieren
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann hat in einem Interview mit der „Neuen Osnabrücker Zeitung“ gefordert, die Sozialleistungen für Geflüchtete abzusenken. Deutschland zahle die höchsten Sozialleistungen, das sei ein Anziehungseffekt, der Geflüchtete nach Deutschland locke. In Zeiten der Energiekrise und des Ukraine-Krieges müsse man darüber nachdenken, ob wir uns das auf Dauer leisten können.
Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt über solche Äußerungen. Jeder Mensch in Deutschland hat, egal mit welchem Aufenthaltsstatus, einen verfassungsrechtlich garantierten Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Die Sozialleistungen für Geflüchtete wurden auf Betreiben der CSU-Innenminister in Bund und Ländern in der Vergangenheit mehrfach reduziert. Entgegen der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts liegen die Leistungen für Geflüchtete nach dem Asylbewerberleistungsgesetz schon wieder knapp 20% unter dem Existenzminimum für Deutsche.
Eine weitere Absenkung der Sozialleistungen würde Geflüchteten die Chance nehmen, ein menschenwürdiges Leben zu führen. Innenminister Herrmann mag dies unter Abschreckungsgesichtspunkten verlockend erscheinen, es wäre aber ein frontaler Angriff auf das Sozialstaatsprinzip und würde Geflüchtete aushungern.
Innenminister Herrmann lenkt damit von der eigentlich dringenden Aufgabe ab, die Unterbringung von Geflüchteten zu entideologisieren und neu zu regeln. Das Beispiel der Geflüchteten aus der Ukraine zeigt deutlich, dass ein großer Teil bei Freund:innen, Verwandten und Unterstützer:innen unterkommt, wenn man ihnen das erlaubt. Auch viele Geflüchtete aus anderen Herkunftsländern können auf solche Unterstützung zurückgreifen. Dringend nötig ist deshalb, Geflüchtete nicht in die Lagerunterbringung zu zwingen, sondern zu ihren Freund:innen, Verwandten und Unterstützer:innen ziehen zu lassen und nur diejenigen unterzubringen, die eine Unterkunft brauchen. Dann würden in kurzer Zeit die Engpässe bei der Unterbringung beseitigt.
„Anstatt sich in Abschreckungsphantasien zu ergehen und nicht existente Pullfaktoren aus der ideologischen Mottenkoste zu holen, sollte Innenminister Herrmann seinen Job erledigen. Dazu gehört es, für eine reibungslose Unterbringung der Geflüchteten zu sorgen. Stattdessen versucht er, eine Scheindebatte darüber loszutreten, ob wir uns die Geflüchteten noch leisten wollen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Natürlich wissen auch wir, dass der bayerische Landtagswahlkampf längst begonnen hat. Aber die Forderung, die Neuverschuldung im Bundeshaushalt durch das Aushungern von Geflüchteten gegenzufinanzieren, ist schlicht menschenunwürdig!“