Unterkunftsgebühren für Geflüchtete erneut verfassungswidrig
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat erneut über die Unterkunftsgebühren für Geflüchtete in Bayern beraten und erklärt auch die Neuregelung für unwirksam und verfassungswidrig / Flüchtlingsrat: Geflüchtete müssen schnell ihr Geld zurückbekommen
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) musste sich erneut mit der Gebührenregelung für die bayerischen Unterkunftsgebühren für Geflüchtete befassen, die in der Durchführungsverordnung Asyl (DV Asyl) geregelt ist. Er kommt zu dem vernichtenden Beschluss, dass die vom bayerischen Innenministerium erlassene Gebührenregelung unwirksam und mit Artikel 3 des Grundgesetzes unvereinbar ist. Sie verstößt damit gegen das Gleichheitsgebot vor dem Gesetz, gegen die Gleichberechtigung von Mann und Frau und gegen das Diskriminierungsverbot.
Bereits im August 2016 hatte der BayVGH die Vorgängerregelung für unwirksam und verfassungswidrig erklärt (BayVGH, Beschluss vom 16.05.2018 – 12 N 18.9). Die Neuregelung der DV Asyl trat im Oktober 2019 in Kraft. Seitdem ist die Zentrale Gebührenabrechnungsstelle damit befasst, Bescheide für Unterkunftsgebühren rückwirkend bis 2016 zu erlassen und Fantasiesummen in Höhe von mehreren Tausend Euro zu fordern.
Der BayVGH zerlegt nun erneut diese Gebührenregelung. Würde der Innenminister die bayerischen Unterkünfte zu den Kosten laut DV Asyl vermieten, „so käme er bezogen auf das als maßstabsbildend zugrunde gelegte Gebührenjahr 2017 wohl unweigerlich mit dem Straftatbestand des Mietwuchers […], möglicherweise sogar dem des Betruges […] in Konflikt“ (BayVGH, Beschluss vom 14.4.2021 – 12 N 20.2529).
Die Gebührenregelung der DV Asyl ist deshalb mit sofortiger Wirkung außer Kraft gesetzt, es dürfen keine neuen Bescheide mehr erlassen werden. Noch nicht rechtskräftige Bescheide müssen aufgehoben, alle rechtskräftigen Bescheide dürfen nicht mehr vollstreckt werden. Der BayVGH legt zudem dem Innenministerium nahe, den Geflüchteten die Gebühren zurückzuerstatten, die sie aus eigenem Einkommen bezahlt haben. Denn es verletze „nach inzwischen zweimaligem vergeblichen Anlauf, eine rechtsgültige Gebührenverordnung ins Werk zu setzen – das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden in grober Weise“, diesen Geflüchteten die Rückzahlung zu verweigern.
„Bereits der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs von 2018 war eine schallende Ohrfeige für Innenminister Joachim Herrmann. Es ist jedoch kaum zu fassen, dass es dem Innenministerium mit seiner ‚Expertise’ nicht gelingen will, eine verfassungskonforme Gebührenregelung zu erlassen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir fordern Innenminister Herrmann dazu auf, allen Geflüchteten die zu Unrecht kassierten Gebühren zurückzuerstatten! Wenn es das Innenministerium nicht hinbekommt, eine rechtmäßige Gebührenregelung zu verfügen, sollte es lieber ganz auf die Gebühren zu verzichten. Dieses jahrelange Hin und Her bei den Gebühren ist ein Armutszeugnis für jeden Rechtsstaat!“