ANKER-Zentren
Die Abkürzung ANKER steht für „Ankunft, kommunale Verteilung, Entscheidung und Rückführung“ (Seite 107 des Koalitionsvertrags der Großen Koalition von 2018). In Bayern wurden diese Unterkünfte am 1. August 2018 flächendeckend etabliert. Häufig herrschen die falschen Annahmen, dass Geflüchtete nur vorübergehend nach ihrer Ankunft oder nur diejenigen mit schlechter Bleibeperspektive dort untergebracht werden. Doch die bayerische Staatsregierung verpflichtet Asylsuchende mit jeglichem Verfahrensstatus, monate- bis jahrelang in diesen Sammelunterkünften zu leben. Je nach Standort müssen sich bis zu 1000 Personen auf engstem Raum Mehrbettzimmer, sanitäre Anlagen und Gemeinschaftsräume teilen. Regelmäßig werden vom Sicherheitspersonal und mittels sogenannter präventiver Polizeirazzien die Zimmer durchsucht, um die Hausordnung durchzusetzen. Zum Beispiel werden Bewohner:innen Alltagsgegenstände wie Haartrockner, Wasserkocher oder Essen abgenommen, da solche Gegenstände nicht erlaubt sind. Geflüchtete in ANKER-Einrichtungen haben keine Privatsphäre und sind einer ständigen Kontrolle und Überwachung ausgesetzt. Weitere Grundrechte werden in den Sonderlagern ausgesetzt: Kinder werden meist nur rudimentär direkt in den Einrichtungen beschult, statt die Regelschulen besuchen zu dürfen. Auch eine umfassende Kinderbetreuung für die jüngeren Kinder ist nicht gegeben. Sachleistungsprinzip und Residenzpflicht schränken die Bewegungsfreiheit und die Selbstbestimmung der Menschen massiv ein. Dazu gehört auch die Tatsache, dass die medizinische Versorgung durch Ärzt:innen vorgenommen wird, die in mehr oder weniger regelmäßigem Umfang direkt in die Einrichtungen kommen. Ehrenamtliche Unterstützer:innen, Freund:innen und Angehörige haben nur sehr erschwert oder gar keinen Zugang. Die Aufnahme einer Beschäftigung ist in den ersten neun Monaten mit einer Aufenthaltsgestattung strikt verboten. Zudem finden regelmäßig nächtliche Abschiebungen statt, meist mit einem Großaufgebot der Polizei. Dadurch leben Menschen, die oft eine lange und schwere Flucht hinter sich haben, in ständiger Angst – Retraumatisierungen werden ausgelöst.
Derzeit gibt es in Bayern insgesamt rund 30 Standorte der ANKER-Zentren und ihrer Dependancen. Laut bayerischer Staatsregierung ist das Ziel der ANKER-Zentren die Bündelung aller am Asylverfahren beteiligten Behörden – BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge), zentrale Ausländerbehörde und Verwaltungsgerichte – und damit einhergehend eine vermeintlich schnellere Bearbeitung der Asylverfahren. Darunter leidet jedoch die Qualität der Verfahren. Mangelnde Beratung und fehlende Vorbereitung auf die Anhörung führen zu einer Aushebelung des individuellen Rechts auf Asyl. Die Verfahren müssen dadurch vermehrt von Gerichten überprüft und bearbeitet werden. Die Bearbeitungszeit und damit einhergehend der Aufenthaltszwang in den ANKER-Einrichtungen verlängern sich so auf mehrere Monate bis sogar Jahre. Der Zentralisierungsgedanke ist zudem allein dadurch verfehlt, dass die 24 ANKER-Dependancen teils fernab der eigentlichen Zentren liegen.
Das Konzept der ANKER-Zentren wird von der CSU und Bundesinnenminister Seehofer als Erfolgsrezept propagiert – mit dem Ziel, dieses bundesweit umzusetzen. Doch Nachahmungen der ANKER-Einrichtungen in dieser Form gibt es in anderen Bundesländern kaum. Ähnliche Konzepte solcher Sonderlager gab es in Bayern zudem schon vor 2018. Dabei war die bayerische Regierung immer wieder sehr kreativ darin, Grundrechte Asylsuchender auszuhebeln, restriktive Wege zu suchen und diese gesetzlich zu etablieren. Das Konzept der ANKER-Zentren ist also weder neu, noch erfüllt es die gewünschten Ziele.
Stattdessen gibt es unzählige Kritik an der Isolation von Geflüchteten und den menschenunwürdigen Zuständen in der ANKER-Zentren von Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbänden, Anwält:innen, Ärztinnen, Kinderpsycholog:innen, Ehrenamtlichen und vielen weiteren.
Mehr Informationen und unsere Forderungen gibt es in unserem Positionspapier ANKER-Zentren, sowie unter Hintergrund und Material.
Zum Thema ANKER-Zentren verleiht der Bayerische Flüchtlingsrat eine Wanderausstellung. Hier finden Sie weitere Informationen dazu.
Hier finden Sie Materialien zu ANKER-Zentren.