Schwer traumatisierte Nürnbergerin steht unmittelbar vor der Abschiebung
Psychiater darf Sara A. nicht in der JVA auf eine mögliche Traumatisierung hin untersuchen / Flüchtlingsrat: „Sara wird an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert!“
Der 22-jährigen Nürnbergerin Sara A. steht der zweite Abschiebeversuch unmittelbar bevor. Statt ihr eine Therapie zu ermöglichen, wird ihr nicht nur jegliche Unterstützung verweigert. Sie wird zudem massiv an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert. Nicht einmal ein Psychiater wird von der Leitung der Justizvollzugsanstalt für eine Untersuchung zu ihr vorgelassen.
Wie bereits berichtet, wurde Sara im Januar 1999 in Nürnberg geboren und ist hier aufgewachsen. Ihre Eltern stammen aus Äthiopien. Sara ist seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr schwer suchtkrank und konsumiert Heroin. Mit dieser Suchterkrankung gehen eine Vielzahl von typischen Straftaten einher, darunter Kauf und Besitz von Betäubungsmitteln und Diebstahl, aber besonders häufig Hausfriedensbruch, da sie sich oft am Hauptbahnhof aufgehalten hat, für den sie jedoch ein Hausverbot hat.
Die Tatsache der Heroinsucht und der vielen Straftaten hat immer zu hartem Durchgreifen des Staates und der Behörden geführt: Sie wurde zu Gefängnisstrafen verurteilt, ihre Aufenthaltserlaubnis wurde entzogen, eine Therapie wurde ihr verweigert und ein erster Abschiebeversuch unternommen. Doch niemand fragte jemals nach, warum sie im Alter von 15 Jahren begonnen hat, harte Drogen zu konsumieren. In aller Regel gehen solchen Drogenkarrieren traumatische Erlebnisse voraus. So auch bei Sara. Ihre Kindheit und Jugend sind geprägt von Gewalt und körperlichen Strafen, von Grausamkeit und Missbrauch.
Sowohl Saras Anwalt als auch ihr Betreuer beim Bayerischen Flüchtlingsrat kommen zu der Einschätzung, dass Sara schwer traumatisiert ist. Um dies jedoch auch im Klageverfahren gegen ihren abgelehnten Asylantrag geltend zu machen, muss eine solche Traumatisierung von einem Facharzt attestiert werden. Dem Bayerischen Flüchtlingsrat ist es geglückt, einen Psychiater zu finden, der sich bereiterklärt hat, Sara in der JVA auf eine mögliche Traumatisierung hin zu untersuchen.
Die Bitte um einen Termin für diese Untersuchung lehnt die Leitung der JVA jedoch mit der Begründung ab, eine solche Begutachtung könne nur von Gerichten und Behörden veranlasst werden. Das zuständige VG Augsburg erklärt, es sehe keine rechtliche Grundlage für ein Ersuchen an die JVA, dieser Terminbitte zu entsprechen, „wenngleich nichts gegen die geplante Untersuchung der Klägerin spricht“. Eine weitere Intervention des Anwalts bei der JVA-Leitung bleibt ebenfalls erfolglos. Nun könnte nur noch die Ausländerbehörde der Stadt Nürnberg bei der JVA Aichach eine solche Untersuchung veranlassen. Doch diese hat daran offensichtlich kein Interesse – und hat stattdessen den zweiten Abschiebeflug gebucht: Am kommenden Freitag, den 19.3.21, soll Sara A. in die JVA Würzburg verlegt werden, von wo aus sie dann zum Frankfurter Flughafen zur Abschiebung gebracht werden soll.
„Was Sara in ihrer Kindheit und Jugend erlebt hat, reicht aus, um die psychische Gesundheit von zehn Kindern nachhaltig zu zerstören. Keine Behörde hat Sara danach gefragt, warum sie mit 15 Jahren begonnen hat, harte Drogen zu konsumieren. Stattdessen hat sie nur die volle Härte des Rechtsstaats zu spüren bekommen“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Doch jetzt, wo zum ersten Mal ein Facharzt Sara untersuchen will, sie möglicherweise Aussicht auf eine Therapie und eine Perspektive für ihr Leben hat, wird Sara ganz rechtsstaatlich an der Wahrnehmung ihrer Rechte gehindert. Wir fordern, dass sich die Nürnberger Ausländerbehörde für die psychiatrische Untersuchung von Sara in der JVA Aichach einsetzt und die Abschiebung bis zum Vorliegen eines Gutachtens unterlässt!“