Polizeigewalt gegen Geflüchteten in Fürstenfeldbruck
Eine Anordnung zum Umzug endet in brutalem Polizeieinsatz – Betroffener muss sich nun als Angeklagter vor Gericht verantworten
Am 21. Oktober 2020 muss sich Christian D. vor Gericht gegen den Vorwurf des tätlichen Angriffs und der Körperverletzung von Polizeibeamt*innen verteidigen. Dabei war er es, der von den gleichen Beamtinnen angegriffen wurde, die am 5. September 2019 gerufen wurden, um ihn unter Zwang in eine andere Unterkunft zu bringen.
Am 5. September 2019 liegt Christian D. auf dem Bett seines Zimmers einer Asylbewerberunterkunft in Fürstenfeldbruck bei München. Er soll an diesem Tag in eine andere Unterkunft umziehen. Seine Sachen sind ordentlich gepackt und stehen in der Ecke des Zimmers. Da er selbst aufgrund einer Operation keine schweren Lasten tragen darf, wartet er auf einen Bekannten, der ihm beim Transport helfen soll. Doch die Unterkunftsleitung unterstellt D., er widersetze sich der Anordnung die Unterkunft zu verlassen und bestellt die Polizei, um den Auszug von Christian D. unter Zwang durchzuführen zu lassen.
Laut Christian D. gehen die herbeigerufenen Beamt*innen nicht auf Gesprächsangebote seinerseits ein. Als er von seinem Bett aufsteht und den Polizistinnen entgegentritt, wenden diese laut D. ohne Vorwarnung Pfefferspray gegen ihn an. Um frische Luft zu bekommen bewegt D. sich zum Fenster und öffnet es. Als er sich wieder umdreht, schlagen die Polizist*innen ihm dreimal mit der Faust ins Gesicht. Bei dem Versuch ihn zu fesseln und zu Boden zu bringen, soll sich laut Anklage ein Polizist eine Verletzung zugezogen haben. Christian D. gibt an, im gefesseltem Zustand weiter von den Polizistinnen misshandelt worden zu sein. Ein Video zeigt, wie die Beamt*innen später den augenscheinlich bewusstlosen Christian D. aus der Unterkunft zu einem Rettungswagen schleifen. Der gewaltsame Verlegungsversuch vom 5. September 2019 hinterließ bei Christian D. bis heute andauernde Verletzungen sowie eine psychische Traumatisierung.
„Der Angriff auf Christian D. ist leider kein Einzelfall. Regelmäßig werden Asylsuchende und Schwarze Menschen als ‚lästig‘, ‚aggressiv‘ und als Objekte administrativer Maßnahmen behandelt. Die Polizeibeamten hören allzu oft nur die Version des Unterkunftspersonals und üben schnell Gewalt gegen die vermeintlichen ‚Aggressoren‘ aus. Meist sind es dann auch noch die Betroffenen, die von der Justiz kriminalisiert werden, während die verantwortlichen Beamt*innen keinerlei Konsequenzen zu erwarten haben“, so Aino Korvensyrjä von Justizwatch.
„Hier findet eine Täter-Opfer Umkehr statt. Es ist bereits sehr fragwürdig, dass die Unterkunftsleitung – obwohl mein Mandant augenscheinlich auf gepackten Koffern saß – überhaupt die Polizei ruft. Wenn dann auch noch Beamt*innen, die für solche Situationen offensichtlich weder geschult noch geeignet sind, gegen meinen bis dato vollkommen friedlichen Mandanten, Pfefferspray und Faustschläge einsetzen, kann von Verhältnismäßigkeit keine Rede mehr sein“, erläutert Rechtsanwalt Yunus Ziyal.
Die Gerichtsverhandlung findet am 21. Oktober 2020 um 11 Uhr im Amtsgericht Fürstenfeldbruck, Stadelbergerstraße 5, 82256 Fürstenfeldbruck statt.
Aufruf zur solidarischen Prozessbegleitung – wenn der Prozess wie geplant am Mi, 21.10., ab 11 Uhr stattfindet, wird um solidarische Prozessbegleitung gebeten.