Migrationsdebatte vor der Wahl – die Betroffenen bleiben ungehört
Die aktuelle Wahlkampf- und Migrationsdebatte in Deutschland sorgt für tiefgreifende Ängste und Unsicherheiten unter Geflüchteten und Migrant:innen. Der Bayerische Flüchtlingsrat warnt vor den Folgen, die diese Debatten auf die betroffenen Menschen haben. „Die anhaltende Diskussion über schärfere Asylgesetze, mehr Abschiebungen und die wachsende Rhetorik des Rassismus verstärken die Ängste der Geflüchteten und Migrant:innen massiv“, erklärt Uche Akpulu, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.
Da Wahlkampf ist, sind es bislang vor allem die Stimmen der Politiker:innen, die in den Medien gehört werden, während die eigentlichen Betroffenen kaum zu Wort kommen. „Es ist bezeichnend, dass in der aktuellen Debatte vor allem politische Akteur:innen sprechen, aber die Stimmen derjenigen, die direkt von den Regelungen betroffen sind – Geflüchtete und Migrant:innen – weitgehend fehlen“, kritisiert Akpulu.
Einige Aussagen der Politiker:innen im Wahlkampf schüren Angst. Ein Beispiel für die Eskalation der Ängste liefert die Aussage des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder: „Was wird noch passieren?“. Diese angstmachende Rhetorik verstärkt nicht nur die gesellschaftliche Spaltung, sondern fördert auch die Stigmatisierung der Betroffenen. Dass Politiker:innen in der öffentlichen Debatte ganze Menschengruppen für die Taten Einzelner verantwortlich machen, ist eine Ungerechtigkeit und brandgefährlich.
„Obwohl Geflüchtete und Migrant:innen genauso schockiert sind über die Gewalttaten von Menschen ausländischer Herkunft und auch ein größeres Unsicherheitsgefühl haben, werden sie mit den Tätern gleichgesetzt. Sie müssen sich für ihre Herkunft jetzt rechtfertigen und werden alle über einen Kamm geschert“, so Uche Akpulu weiter.
In Bayern erleben Geflüchtete und Migrant:innen zunehmend rassistische Übergriffe und Diskriminierung. Die Zahl der Angriffe auf Unterkünfte stieg 2024 auf 33 an, zudem wurden 277 Übergriffe auf Geflüchtete registriert. Diese Gewalt ist eine direkte Folge der verbalen Eskalation im öffentlichen Diskurs, zu der auch die unsägliche Migrationsdebatte im Wahlkampf beiträgt. Dass in dieser Debatte die Betroffenen kaum gehört werden, trägt weiter dazu bei, dass Stigmatisierung und Sündenbock-Narrative die öffentliche Wahrnehmung prägen. Wir wollen hier zwei Betroffene zu Wort kommen lassen und ihre Perspektive auf das gesellschaftliche Klima teilen:
Angst vor Rassismus und Diskriminierung
Eine 50-jährige Frau, ursprünglich aus Uganda, berichtet: „Ich bin seit über 10 Jahren in Deutschland, voll integriert, ausgebildet als Altenpflegefachkraft und habe hier die letzten Jahre gearbeitet. Ich habe eine Niederlassungserlaubnis. Ich habe aktuell Angst, ob ich in Deutschland bleiben darf. Jeden Tag kommt eine neue Nachricht, ein neues Gesetzesvorhaben. Mit all den Änderungen und Unsicherheiten ist es sehr schwer und deprimierend für Migrant:innen, sich auf das zu konzentrieren, was sie hier tun. Niemand weiß, was die Zukunft bringt, wenn sich die Politik so entwickelt.“
Angst vor Abschiebung und rechtlichen Verschärfungen
Die Angst vor Abschiebung ist eine weitere Sorge unter den Geflüchteten und Migrant:innen. Für viele Menschen, die seit Jahren in Deutschland leben, stellt sich die Frage, ob sie demnächst mit einer Abschiebung rechnen müssen, ob sie ihre Jobs und ihre Existenz verlieren. Eine alleinerziehende Mutter aus Sierra Leone schreibt uns: „Ich bin seit 2020 in Deutschland, und seit dieser Zeit bin ich als Geflüchtete mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Mit Baby musste ich von einem Flüchtlingslager zum anderen umziehen. Alles dauert ewig, das Warten auf die Asylentscheidung, einen Platz im Deutschkurs, auf einen Kitaplatz, auf die Umzugs- und Arbeitserlaubnis. Bei all dem bin ich immer noch mit Rassismus konfrontiert, was mir sehr viel Wut, Emotionen und Angst bereitet. Ich kann nicht einmal gut schlafen, weil die Abschiebung immer wieder ins Spiel kommt. Ich habe also Angst vor der Zukunft und einer Abschiebung, obwohl meine Tochter hier Flüchtlingsschutz erhalten hat.“
Appell an die Politik
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die Politik auf, die Debatte über Migration nicht auf Ängsten und Ressentiments aufzubauen, sondern tatsächliche Lösungen für mit Migration in Verbindung stehende Probleme zu suchen. Dazu gehört es, für alle Menschen für Sicherheit zu sorgen, Faktoren wie Armut und Ausgrenzung abzubauen und die Gesellschaft zusammenzuhalten, statt zu spalten.
Der Bayerische Flüchtlingsrat steht in dieser schwierigen Zeit weiterhin an der Seite von Geflüchteten und Migrant:innen und fordert eine sachliche und respektvolle Auseinandersetzung mit dem Thema Flucht und Migration.