Botschaftsanhörung ohne Botschaft?
Kritik an fragwürdigen Anhörungen Geflüchteter vor Delegation aus Senegal
Gemeinsame Pressemitteilung von: Berliner Flüchtlingsrat, Bayerischem Flüchtlingsrat, Flüchtlingsrat Hamburg, BBZ (Beratungs- und Betreuungszentrum für junge Geflüchtete und Migrant:innen), Migrationsrat Berlin, BIPOC Ukraine, AWID (Solidarity With Women Struggles All Over The World)
Aktuell hält sich auf Einladung deutscher Behörden eine Delegation aus dem Senegal in München auf, die Reisedokumente für die Abschiebung vermeintlich aus dem Senegal stammender Geflüchteter ausstellen soll. Aus dem ganzen Bundesgebiet haben Geflüchtete die Aufforderung erhalten, bei dieser Delegation vorzusprechen, um ihre Identität feststellen zu lassen.
Verschiedene Organisationen kritisieren die Vorführungen scharf, denn wer dieser Delegation angehört, von wem sie legitimiert ist, nach welchen Methoden die Identitätsfeststellungen vorgenommen werden, welche Gelder dabei fließen und warum die Vorsprachen nicht bei der senegalesischen Botschaft stattfinden, ist völlig intransparent.
Um Reisedokumente für die Abschiebung ausreisepflichtiger Menschen zu erhalten, laden deutsche Behörden immer wieder Delegationen aus verschiedenen Herkunftsländern von Geflüchteten nach Deutschland ein. Die Ausländerbehörden schicken zum Teil Menschen aus dem gesamten Bundesgebiet zu den Anhörungen, wer der Aufforderung der Vorsprache nicht nachkommt, wird zwangsvorgeführt. Und das oft ohne jede Rücksichtnahme, wie ein Fall aus Bayern zeigt. Dort endete eine Zwangsvorführung im März 2021 in einem Suizidversuch, nachdem vorliegende Atteste über den instabilen psychischen Zustand des Betroffenen einfach ignoriert wurden.
Dabei bewegen sich die Vorführungen in einem Graubereich. Weder sind die Kriterien der Auswahl des „Delegationspersonals“ transparent noch die Methoden, mit denen während der Vorführung ermittelt werden soll, ob die Personen tatsächlich aus dem Herkunftsland der jeweiligen Delegation kommen.
„Das gesamte Prozedere der Ausstellung von ausländischen Identitätspapieren durch eine nicht transparent legitimierte Delegation in Räumen deutscher Landesbehörden nach völlig unklaren Kriterien ist rechtlich mindestens fragwürdig“, sagt Nora Brezger, Sprecherin des Flüchtlingsrats Berlin. „Weil die Delegationen häufig für jedes ausgestellte Dokument zusätzlich bezahlt werden, kommt es vor, dass Menschen Reisedokumente für ein Land erhalten, aus dem sie gar nicht stammen, und schließlich dorthin abgeschobenen werden.“
Aus den genannten Gründen haben Betroffene (aus Berlin) Klage und Eilantrag gegen die Aufforderung zur Vorsprache eingelegt. Wir raten allen, die eine solche Einladung erhalten, sich rechtlich beraten zu lassen.
Nach unseren Informationen hat das Bundesinnenministerium die derzeit stattfindenden Anhörungen in München gemeinsam mit dem senegalesischen Innenministerium organisiert unter Umgehung der senegalesischen Botschaft. So finden die Anhörungen nicht etwa in den Räumen der senegalesischen Auslandsvertretung in Berlin statt, sondern im Bayerischen Landesamt für Maß und Gewicht. Es ist unklar, welche Gelder dabei fließen und wer diese übernimmt. Nach Auskunft der Bundesregierung erhalten solche Delegationen üblicherweise sämtliche Reisekosten sowie großzügige Spesen und zusätzliche Prämien pro ausgestelltes Reisedokument.
„Anstatt endlich auf Bleiberechtsmöglichkeiten zu setzen und die Identitätsklärung mit einer eidesstattlichen Versicherung abzuschließen, wie im Koalitionsvertrag vorgesehen, scheuen deutsche Behörden weiterhin keine Kosten und Mühen, Delegationen einfliegen zu lassen, um Menschen, die zum Teil seit vielen Jahren in Deutschland leben, außer Landes schaffen zu können“, so Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
- Wir fordern vom Bundesinnenministerium die transparente Offenlegung der Auswahlkriterien und Zusammensetzung der sogenannten Delegationen aus den Herkunftsländern.
- Wir fordern die Offenlegung der Kriterien und der Methodik der Identifizierung der Menschen zum Zwecke der Ausstellung von Abschiebepapieren.
- Wir fordern eine bundesweite Bleiberechtsoffensive statt intransparenter Abschiebepapier-Beschaffungs-Methoden.