Bundesaufnahmeprogramm Afghanistan
Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert: Intransparente Ausgestaltung und bayerische Blockade | Überall Verantwortungsweitergabe, nirgendwo Verantwortungsübernahme
Am heutigen Montagvormittag hat die Bundesregierung bekanntgegeben, dass das im Koalitionsvertrag angekündigte Bundesaufnahmeprogramm für gefährdete Afghan:innen startet. Auf einer eigens dafür eingerichteten Website finden sich Informationen zu dem geplanten Programm. Es soll insbesondere Menschen begünstigen, die ihre Gefährdung überzeugend darlegen können. Dazu wurde ein Online-Tool entwickelt, das über 100 Fragen umfasst.
Laut der FAQs zum Bundeaufnahmeprogramm können nur „meldeberechtigte Stellen“ gefährdete Personen erfassen. Eine individuelle Bewerbungsmöglichkeit für Einzelpersonen besteht jedoch derzeit nicht. Das heißt, die „meldeberechtigten Stellen“ übernehmen die Arbeit der Bundesregierung, indem sie selbst prüfen und entscheiden, welche Fälle eingegeben werden. Alleine die Beschaffung der Informationen und Dokumente der jeweiligen Personen ist ein immenser Arbeits- und Zeitaufwand. Auch die mehr als 100 Fragen umfassende Eingabe gleicht einem bürokratischen Monstrum. Zudem können die „meldeberechtigten Stellen“ selbst darüber entscheiden, ob sie öffentlich über die Meldemöglichkeit informieren.
Bislang schließt das Bundesaufnahmeprogramm Personen aus, die in Drittstaaten geflohen sind. Im letzten Jahr haben unzählige Menschen Afghanistan in Todesangst gen Iran, Pakistan oder Tadschikistan verlassen, wo viele illegalisiert und unter prekären Bedingungen leben müssen. Dass das Programm kein Interesse daran hat, niedrigschwellige Bedingungen zu schaffen, zeigt sich auch dadurch, dass die Website nur in deutscher Sprache zugänglich ist.
„Das Aufnahmeprogramm strotzt nur so von Ausschlussmechanismen. Teile davon, sind eine Frechheit,“ kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Ohne exklusiven Kontakt zu einer ‚meldeberechtigten Stelle‘ sind schutzsuchende Personen ganz außen vor. Nichtregierungsorganisationen bleiben mit der Entscheidung, öffentlich das Programm zu bewerben und eine Überlastung der eigenen Strukturen in Kauf zu nehmen, allein. Weiter sollen sie eine eigentlich staatliche Aufgabe übernehmen, indem sie die Fälle im Vorfeld prüfen und aufbereitet in das Programm eingeben. Die unbequeme Entscheidung einer Nichteingabe reicht die Bundesregierung nach unten weiter. Überall Verantwortungsweitergabe, nirgendwo Verantwortungsübernahme“.
Wenig überraschend lehnt das Bayerische Innenministerium das Bundesaufnahmeprogramm ab. Innenminister Herrmann verweist auf fehlende Aufnahmekapazitäten und mangelnde finanzielle Unterstützung durch den Bund. Doch das Missmanagement aus den letzten Jahren darf nicht zu Lasten der schutzsuchenden Menschen gehen. Bayern kommt beim Thema Afghanistan eine besondere Verantwortung zu. Jahrelang wurden von dort mit Abstand am meisten Afghanen abgeschoben und die Situation vor Ort wissentlich ignoriert. Ein Landesaufnahmeprogramm, wie es beispielsweise in Thüringen, Bremen, Berlin, Schleswig-Holstein und Hessen geplant wird, lehnt Innenminister Herrmann weiterhin ab.
„Bayern betreibt unter dem Deckmantel einer ‚Überbelastung‘ eine Migrationspolitik zu Lasten der schutzsuchenden Menschen,“ stellt Böhm fest. „Dass Bayern ein Bundesaufnahmeprogramm ablehnt, überrascht nicht. Doch wenn Innenminister Herrmann wirklich, wie er sagt, ganz klar zu seiner ‚humanitären Verantwortung, gerade auch gegenüber Afghanistan‘ steht, dann muss er selbst nachlegen und endlich ein Landesaufnahmeprogramm auf den Weg bringen.“
+++Allgemeine Informationen zum Bundesaufnahmeprogramm finden Sie hier: https://www.fluechtlingsrat-bayern.de/https-www-fluechtlingsrat-bayern-de-update-afghanistan/ +++