Krebskranke Frau aus Krankenhaus nach Bulgarien abgeschoben

Bayerischer Flüchtlingsrat und Münchner Flüchtlingsrat kritisieren die Verhältnismäßigkeit dieser Abschiebung und fordern Aufklärung

Trotz schwerer Krankheit und familiärer Bindung wurde eine über 60-jährige, syrische Frau am 26. März 2025 von der Zentralen Ausländerbehörde (ZAB) Unterfranken von Frankfurt nach Bulgarien abgeschoben. Ihr Asylantrag wurde zuvor aufgrund der Zuständigkeit Bulgariens als ‚unzulässig‘ abgelehnt.

Die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge war bereits abgelehnt, die Hauptklage ist noch anhängig. Am 7.4.2025 entschied das Verwaltungsgericht (VG) Würzburg, dass die Klage doch aufschiebende Wirkung hat. Die schwer krebskranke Frau könnte prinzipiell zurückkommen.

„Die Situation in Bulgarien ist schon für gesunde junge Menschen menschenrechtswidrig. Dass eine todkranke Frau trotz familiärer Bindung und finanzieller Unterstützung nach Bulgarien abgeschoben wurden, entbehrt jedweder Verhältnismäßigkeit, wie auch das Gericht nun bestätigt“, sagt Jana Weidhaase vom Bayerischen Flüchtlingsrat.

In Bulgarien gilt die Menschenrechtslage als prekär. Geflüchtete können bis zu 18 Monate inhaftiert werden. Syrer:innen erhalten in Bulgarien kaum noch Flüchtlingsschutz. In geschlossenen Haftzentren, wie in Busmantsi, können abgelehnte Asylantragstellerinnen bis zu 18 Monate inhaftiert werden.

Astrid Schreiber vom Münchner Flüchtlingsrat berät in der Abschiebehaft und kennt die Situation der Menschen, die nach Bulgarien abgeschoben werden, gut. Immer wieder erfährt sie von schweren Menschenrechtsverletzungen, die schon bei der Ankunft durch die bulgarischen Behörden stattfinden. So wird am Flughafen mit einer langen Inhaftierung gedroht. Häufig landen Menschen in besagten Abschiebehafteinrichtungen wie Busmantsi.

„Ich wurde vor 2 Wochen von einer NGO vor Ort kontaktiert, ob ich bei der Suche nach der Frau unterstützen kann. Für mich bleiben viele Fragen offen, warum so eine Abschiebung überhaupt durchgeführt wird. Ich fordere, dass die zuständigen Behörden, die Polizei und letztendlich der behandelnde Arzt aus dem Krankenhaus dazu Stellung nehmen sollten“, konstatiert Astrid Schreiber von der Abschiebehaftberatung des Münchner Flüchtlingsrates.

Frau H. reist im Juli 2024 über Bulgarien nach Deutschland ein. In Deutschland wohnen ihre zwei erwachsenen Söhne. Aufgrund einer Bandscheibenoperation und der Krebserkrankung war Frau H. auf die Pflege ihrer Familienangehörigen angewiesen. Deshalb durfte sie trotz unzulässigen Asylantrag privat bei ihrem jüngeren Sohn wohnen. Ihr zweiter Sohn, der in Hessen als Arzt praktiziert, hat bei der ZAB Unterfranken bereits vor einiger Zeit eine Verpflichtungserklärung abgegeben, um alle Behandlungs- und Lebensunterhaltskosten aufzukommen.

Am 26.3.25 standen nachts mehrere Polizeibeamte in der Wohnung, um Frau H. nach Bulgarien abzuschieben. In dieser Nacht hatte Frau H. starke Schmerzen. Der Sohn erklärte die Situation mit der Krankheit und zeigte den Polizisten die aktuellen Befunde. Auf Drängen des Sohnes wurde daraufhin Frau H. mit einem Rettungswagen in Polizeibegleitung in die Klinik gebracht. Ab diesem Zeitpunkt hatten die Familienangehörigen keinen Zugang mehr zu Frau H. und bekamen keine Auskunft vom Krankenhaus oder der Polizei. Vier Tage war Frau H. für ihre Familie unauffindbar. Ein Handy hatte sie nicht dabei. Erst durch den Anwalt erfuhr ihr Sohn, dass die Abschiebung nach Bulgarien durchgeführt wurde. Unklar war jedoch, wo sie sich in Bulgarien befand. Der jüngste Sohn ist in größter Sorge nachgereist.

Victor Lilov, Menschenrechtsaktivist und Mitglied des bulgarischen Helsinki-Komitees erklärt: „Ich wurde vom jüngeren Sohn der betroffenen Frau kontaktiert, der mir berichtete, dass er seit einer Woche in Bulgarien nach seiner Mutter sucht – ohne jegliche Unterstützung durch die deutschen Behörden. Mithilfe eines arabischsprachigen Arztes gelang es schließlich, sie in einer der Asylunterkünfte ausfindig zu machen.“

Auch wenn es nun einen positiven Eilbeschluss vom VG Würzburg, wollen wir auf den Fall aufmerksam machen. Denn die besondere Tragik liegt nicht nur in der unterbrochenen medizinischen Versorgung, sondern auch im Umgang mit schwerkranken Menschen und deren Angehörigen durch die beteiligten Institutionen. Deshalb läuft eine Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen den behandelten Arzt im Krankenhaus.