Innenministerium erbarmungslos!
Trotz verheerender Sicherheitslage soll heute nach Afghanistan abgeschoben werden
Am heutigen Dienstag, den 08. Juni, soll die mittlerweile 39. Sammelabschiebung nach Afghanistan stattfinden, nachdem der Flug im letzten Monat von den afghanischen Behörden abgesagt wurde. Abschiebungen nach Afghanistan stehen nicht von ungefähr unter massiver Kritik: Das Land gilt als das gefährlichste der Welt. Nicht nur die seit Jahrzehnten andauernden Konflikte stellen eine massive Bedrohung für die Bevölkerung dar. Die ohnehin schlechte Versorgungslage im Bereich Gesundheit und Nahrung hat sich nicht zuletzt auch durch die Pandemie zu einer immensen Nahrungsmittel- und Lebensunterhaltskrise entwickelt. Der Abzug der NATO-Einheiten lässt neue gewalttätige Eskalationen befürchten. Die Taliban können immer mehr Gebiete erobern. Anschläge, auch auf die Zivilgesellschaft, gehören nach wie vor zur Tageordnung. Inmitten dieser Situation, schiebt Deutschland dennoch weiter regelmäßig ab.
„Menschenrechtsorganisationen und Landesexpert:innen warnen regelmäßig vor Abschiebungen nach Afghanistan. Auch immer mehr Gerichte sprechen sich angesichts der bedrohlichen Situation für Leib und Leben, auch bei gesunden, jungen Männern gegen Abschiebungen aus“, so Johanna Böhm, vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Dass weiterhin an Abschiebungen festgehalten wird, ist ein humanitärer Skandal!“
In letzter Zeit sind zwei umfangreiche Gutachten erschienen, die speziell die Situation von abgeschobenen Afghanen beleuchten. Beide kommen zu einem ähnlichen Urteil: Rückkehrern droht Gefahr für Leib und Leben. Eva-Catharina Schwörer beschreibt in ihrer Veröffentlichung von November 2020, wie die Covid-19 Pandemie die ohnehin schon prekäre wirtschaftliche Situation so massiv verschlechtert, dass auch junge und gesunde Männer nicht in der Lage sind, ein Leben am Rande des minimalsten Existenzminimums zu führen. Friedericke Stahlmann beschreibt in ihrer Studie vom Juni 2021 eine Vielzahl von Bedrohungen für abgeschobene Afghanen. Ein Großteil der Abgeschobenen hat laut Stahlmann nach der Rückkehr Gewalt erfahren, auch die jeweiligen Familien sind von gewalttätigen Übergriffen bedroht. Der Faktor des sozialen Ausschlusses von abgeschobenen Rückkehrern macht eine Existenzsicherung in der sowieso bestehenden humanitären Notlage fast unmöglich.
„Als Argumentation für Abschiebungen nach Afghanistan dienen häufig sogenannte Straftaten. Doch die altbekannten Diskussionen über die Abschiebung von Straftätern sind irreführend und werden ohne jeglichen Bezug zu dem gesetzlich verfassten Resozialisierungsgedanken geführt. Auf oft verhältnismäßig geringe Straftatbestände folgt nach Ableisten der Strafe die Abschiebung. Das ist eine Doppelbestrafung, die der Rechtsstaat nicht vorsieht“, so Böhm weiter. „Bundes- wie auch bayerisches Innenministerium ignorieren konsequent die lebensgefährliche Situation für Rückkehrer. Eine Abschiebung nach Afghanistan ist eine Abschiebung in Todesgefahr. Auch die abschiebewahnsinnigen Innenministerien dürfen Menschenrechte nicht unterschiedlich auslegen.“
Schwörer, Eva-Catharina, Auswirkungen der Covid-19 Pandemie auf die Lage in Afghanistan:
https://www.proasyl.de/wp-content/uploads/Gutachten-Auswirkungen-der-COVID-19-Pandemie-auf-die-Lage-in-Afghanistan-Eva-Catherina-Schwoerer-1.pdf
Stahlmann, Friedericke, Erfahrungen und Perspektiven abgeschobener Afghanen:
https://www.diakonie.de/fileadmin/user_upload/Diakonie/PDFs/Journal_PDF/AFG_Monitoring-Studie_FINAL.pdf