In Boxershorts zum Haftrichter
Am 01.07.2019 sollte eine Flüchtlingsfamilie aus dem Iran nach Slowenien abgeschoben werden. Gegen 4 Uhr morgens kam die Polizei, um die Eltern und ihre beiden minderjährigen Kinder aus der ANKER-Einrichtung Oberfranken abzuholen. Schließlich wurde nur der Familienvater festgenommen und lediglich in Boxershorts bekleidet dem Haftrichter vorgeführt. Der Mann sitzt jetzt in Abschiebehaft in Eichstätt.
Die Familie und eine Zeugin berichten, dass die Ehefrau der Polizei ärztliche Atteste gezeigt habe, wonach sie schwer krank ist und ohne eine Operation der Augen innerhalb der nächsten Wochen erblinden wird. Die Polizei habe sie daraufhin gewaltsam von ihrem Mann getrennt und in ein anderes Zimmer gebracht. Ihrem Ehemann sei nicht erlaubt worden, weitere Kleidung als seine Boxershorts anzulegen. Der 15-jährige Sohn sei von der Polizei zu Boden geworfen worden, wobei eine genähte Wunde im Gesicht wieder aufplatzte, die er von einem Fahrradunfall davongetragen hatte. Seine 7-jährige Schwester habe den Gewaltakt der Polizei mit ansehen müssen. Die Polizei habe dann die ANKER-Einrichtung wieder verlassen, Mutter und Kinder seien dort zurückgeblieben, nur der Ehemann wurde in Unterhosen dem Haftrichter vorgeführt und sitzt nun in Abschiebehaft. Eine weitere Zeugin konnte das Geschehen aus nächster Nähe beobachten und bestätigt die Schilderungen der Familie. Im Falle des Iraners hat die zuständige Rechtsanwältin Christine Hoffmann nun Haftbeschwerde eingelegt.
„Da die Schilderungen der Familie und der Zeugin schlüssig sind, halten wir das Vorgehen der Polizei bei dieser Abschiebung für inakzeptabel, unangemessen und menschenunwürdig. Wir fordern das bayerische Innenministerium dazu auf, solches Verhalten zu unterbinden!“, fordert Thomas Bollwein vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Ein ähnlicher Vorfall ereignete sich bereits am 19.06.19, als zwei minderjährige Schüler*innen in Begleitung ihrer Vormündin und eines weiteren Mitarbeiters des Jugendamtes unter Anwendung von Zwangsmaßnahmen nach Albanien abgeschoben wurden. Die 13-jährige berichtete, dass ihr 15-jähriger Bruder ohne Vorwarnung brutal gegen ein Auto gestoßen, auf dem Boden fixiert und mit Handschellen auf dem Rücken gefesselt wurde. Nach der Festnahme wurden die Kinder getrennt und direkt zum Münchner Flughafen gefahren. Es wurde ihnen nicht ermöglicht, persönliche Dinge, Kleidung oder Geld mitzunehmen. Bis zum Abflug wurden sie isoliert in Einzelzellen des Münchner Flughafens eingesperrt – ohne Ansprechpartner*innen, ohne Nahrungsmittel, ohne Handys.