Homosexualität: mittelalterliches Menschenbild beim BAMF
Nächste Sammelabschiebung nach Afghanistan am Dienstag, 9.3.2021
Seit Dezember 2016 werden Menschen in das Kriegsland Afghanistan abgeschoben. Nahezu monatlich gehen Abschiebecharter von Deutschland nach Kabul. Wegen Corona waren die Abschiebungen nach Afghanistan zwischen März und Dezember 2020 ausgesetzt. Seit Dezember 2020 finden sie nun wieder regelmäßig statt. Nun soll am Dienstag, den 9.3.2021, die mittlerweile 37. Sammelabschiebung nach Afghanistan gehen.
Tamim B., seit 2015 in Deutschland, sitzt aktuell in Abschiebehaft in Eichstätt und soll nach Afghanistan abgeschoben werden. Ehrenamtliche, die Tamim unterstützen, beschreiben ihn als hilfsbereiten, offenen, engagierten und dankbaren Mitmenschen, der sich stets um Arbeitsstellen und Praktika bemüht hat – auch in unbeliebten Berufsfeldern. Er ging in seinem Wohnort von Betrieb zu Betrieb, um sich persönlich vorzustellen. So fand er auch schnell Arbeitsplatzangebote, die er oft aufgrund der verwehrten Beschäftigungserlaubnis nicht antreten durfte. Zuletzt hat er dann doch eine Erlaubnis und eine Anstellung als Küchenhilfe bekommen. Wenig später entzieht die Ausländerbehörde die Erlaubnis wieder und droht mit der Abschiebung. Der Arbeitgeber will Tamim gerne in Vollzeit anstellen, ein aktuelles Arbeitsplatzangebot liegt vor.
„Es ist ein Skandal, dass Deutschland und allen voran Bayern an der rigorosen Abschiebepolitik festhält. Unter den Abgeschobenen sind regelmäßig Menschen, die sich schon lange in Deutschland befinden, ein Netzwerk aufgebaut haben, zur Schule gehen oder arbeiten. Das Herausreissen aus diesem Netzwerk und Abschieben in ein Krisen- und Kriegsgebiet ist menschenverachtend“, kritisiert David Förster vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Ein anderer Afghane, Ali A. (Name geändert), sollte bereits im Februar abgeschoben werden. Seine Anwältin Myrsini Laaser stellte aufgrund seiner Homosexualität einen Asylfolgeantrag. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stoppte daraufhin die Abschiebung, um den Antrag in Ruhe prüfen zu können. Diesen hat das BAMF nun abgelehnt. Die Rechtsanwältin schreibt auf ihrer Facebook-Seite: »Dazu hat das Bundesamt ausgeführt, dass Homosexuellen in Afghanistan keine Verfolgung drohe, vielmehr sei Homosexualität in Afghanistan ein typisches Bild im Alltag und bezieht sich dabei auf die sog. Bacha Bazi. Bacha Bazi, übersetzt Knabenspiel, ist eine in Afghanistan praktizierte Form der Kinderprostitution«.
„Das BAMF legt ein erschütterndes Menschenbild aus dem Mittelalter an den Tag. Das Nebeneinanderstellen von Homosexualität und Kinderprostitution ist in Sachen Vorurteilen und Stigma gegenüber LGBTIQ-Personen nicht zu überbieten. Und das wohlgemerkt durch eine staatliche Behörde“, so Förster weiter. „In Afghanistan sind gleichgeschlechtliche Handlungen nach wie vor absolut tabuisiert und stehen unter Strafe. LGBTIQ-Personen müssen jederzeit mit (Straf-)Verfolgung von staatlichen, aber auch von nicht-staatlichen Gruppierungen sowie Übergriffen und gesellschaftlicher Ächtung rechnen. In einem Land, das durch Anschläge von Taliban und Islamischem Staat geprägt ist, ist das Leben als Homosexueller lebensgefährlich.“