„Gnadenakt“ aus dem Innenministerium stoppt Abschiebung von behindertem Afghanen
Regierungskoalition gibt behinderten und psychisch kranken Afghanen fast zum Abflug frei
Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist hier seit Jahren sehr klar und deutlich: Wenn jemand nach Afghanistan abgeschoben wird und sich dort irgendwie über Wasser halten kann, dann sind das gesunde junge Männer. Gestern Vormittag aber hat die Regierungskoalition aus CSU und Freien Wählern, unterstützt von der AfD, im Petitionsausschuss für die Abschiebung eines jungen, aber eindeutig kranken und nachweislich geistig behinderten Mannes gestimmt.
Erst in den frühen Abendstunden stoppte Innenminister Joachim Herrmann die Abschiebung von Hossain A. Wenig später ging dann der mittlerweile 29. Sammelabschiebeflug nach Afghanistan. An Bord des bundesweiten Charters waren 36 Afghanen.
Hossain lebt seit mehr als neun Jahren in Deutschland und steht unter gesetzlicher Betreuung. Bis auf seine im Iran wohnende Mutter ist die komplette Familie in Deutschland. Sein Bruder Akbar A. lebt mit einem unbefristeten Aufenthalt in München. Über seinen Bruder Hossain sagt er: „Er ist seit seiner Kindheit geistig behindert. Er ist im Krieg in Afghanistan aufgewachsen und traumatisiert. Er kann weder lesen, schreiben noch rechnen. Er braucht jemanden, der ihn im Alltag unterstützt. Zum Beispiel kann er nicht alleine eine Adresse finden oder einen öffentlichen Bus benutzen.“
CSU und Freie Wähler im Petitionsausschuss hingegen vertraten die Meinung, der geistig behinderte junge Mann könne in Afghanistan unproblematisch für sein Überleben sorgen und verwiesen auf vermeintliche Unterstützungsangebote dort. Doch die Argumentation, in Afghanistan gäbe es Hilfen für abgeschobene Geflüchtete ist klar falsch. Das konkret genannte Projekt IPSO bietet lediglich psychotherapeutische Gruppendiskussionen an. Das hilft einem Behinderten, der in Kabul ganz gewiss sein Leben nicht selbst bestreiten kann, überhaupt nicht. Zudem erteilte IPSO auf Nachfrage, ob sie Hossain unterstützen könnten, eine deutliche Absage.
„Während sogar die Bundespolizei lieber heute als morgen aus Afghanistan raus will, beschließen CSU und Freie Wähler, ein behinderter Mensch könne dort sein Leben fristen. Mit Erschrecken mussten wir gestern zur Kenntnis nehmen, dass CSU und Freie Wähler im Petitionsausschuss sich in diesem Fall der gewissenlosen Haltung der AfD anschließen,“ kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat die gestrige Ausschusssitzung. „Wir sind natürlich froh und glücklich, dass Hossain nicht abgeschoben wurde. Jedoch kann und darf es nicht sein, dass in Bayern zuerst wahllos junge Leute inhaftiert werden um dann, wenn der Trubel nur groß genug ist, nochmal Gnade walten zu lassen. Dieser Umgang mit Menschen ist nur eines – menschenverachtend und lebensgefährdend.“