Drei Jahre Taliban-Herrschaft: Eine Bilanz der Enttäuschungen und unerfüllten Versprechen
Der Bayerische Flüchtlingsrat appelliert dringend an die Bundesregierung, ihre Entscheidung zu überdenken und die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Bundesaufnahmeprogramm fortzuführen und den betroffenen Menschen den versprochenen Schutz zu gewähren.
Am 15. August vor drei Jahren übernahmen die Taliban die Macht in Afghanistan. Dieser Tag markiert einen dunklen Wendepunkt in der afghanischen Geschichte. Seitdem erleben die Menschen in Afghanistan massive Einschränkungen ihrer Menschen- und Grundrechte, besonders Frauen. Ihnen wird der Zugang zu Bildung verwehrt, und die Presse- und Meinungsfreiheit ist kaum noch existent.
Nach der Machtübernahme der Taliban versprach Außenministerin Annalena Baerbock: „Sie sind nicht vergessen. Wir arbeiten mit Hochdruck daran, alle in Sicherheit zu bringen.“ Das Bundesaufnahmeprogramm für Afghanen wurde ins Leben gerufen und im Ampel-Koalitionsvertrag festgeschrieben. Laut Koalitionsvertrag sollten bis heute 22.000 Personen aufgenommen werden. Tatsächlich sind jedoch bis Juli 2024 nur 533 Personen nach Deutschland eingereist – weniger als drei Prozent der ursprünglich geplanten Zahl. Über 3.700 Personen warten aktuell im Aufnahmeverfahren in Islamabad, und weitere 15.000 Menschen hoffen seit langem auf eine Rückmeldung.
Ein weiterer Beweis dafür, dass die Ampelregierung kein Interesse an der Sicherheit der Afghan*innen hat und ihre Schutzversprechen nicht einhalten will, ist die Ankündigung von Bundesinnenministerin Nancy Faeser im vergangenen Monat, die Finanzierung des Bundesaufnahmeprogramms für gefährdete Afghanen um fast 90 Prozent zu reduzieren. Der Bayerische Flüchtlingsrat zeigt sich entsetzt über die geplante drastische Kürzung der Mittel für das Bundesaufnahmeprogramm.
Viele Betroffene haben bereits alles verkauft und aufgegeben, um nach Deutschland zu kommen. Die Streichung der Finanzierung würde sie ihrem Schicksal überlassen und einer akuten Bedrohung durch die Taliban aussetzen. Ohne die notwendige Finanzierung drohen diesen Menschen schwere Menschenrechtsverletzungen.
Arif Haidary vom Bayerischen Flüchtlingsrat kritisiert die Entscheidung scharf: „Die Bundesregierung bricht ihr Schutzversprechen gegenüber denjenigen, die sich für Demokratie und Menschenrechte in Afghanistan eingesetzt haben. Dies ist das Ende eines elementaren Menschenrechtsprogramms und eine Schande für die Bundesregierung.“
Zusätzlich hat sich die Entscheidungspraxis des BAMF geändert und immer mehr Asylanträge von alleinstehenden männlichen Afghanen werden vollumfänglich abgelehnt. Flüchtlings- und subsidiärer Schutz wird seltener gewährt, so dass keine Möglichkeit auf Familiennachzug für Ehepartner*innen und Kinder besteht. Ein solcher Fall ist der von A. S. Er hat bis zur Machtübernahme der Taliban bei der Spezialeinheit der ehemaligen afghanischen Regierung gearbeitet und ist über Moskau nach Deutschland eingereist. Nach zwei Jahren Asylverfahren erhielt er nun lediglich ein Abschiebungsverbot. Weil er mehrere Jahre in Spezialeinheit für die Afghanische Regierung gearbeitet hat, sind er und seine Familie nun in großer Gefahr. Er klagt nun auf Flüchtlingsschutz.
„Ich habe jahrelang Seite an Seite mit internationalen Kräften in Afghanistan gegen die Taliban und andere terroristische Gruppen gekämpft“, sagt Herr A.S. „Nun ist meine ganze Familie in Afghanistan in Gefahr. Sie kämpfen jeden Tag ums Überleben, und mit dem Abschiebungsverbot besteht keine Möglichkeit, dass ich einen Familiennachzugsantrag stelle, damit meine Familie nach Deutschland kommen kann.“
„Das Vorgehen der Bundesinnenministerin ist sicherheitsgefährdend“, warnt Arif Haidary. „Diese Menschen haben ihr Vertrauen in Deutschland gesetzt, und nun wird ihnen jegliche Hoffnung auf ein Leben in Freiheit, Selbstbestimmung und Sicherheit genommen. Die Kürzung der Mittel ist nicht nur ein moralisches Versagen, sondern gefährdet auch das Leben tausender Menschen.“
Der Bayerische Flüchtlingsrat appelliert dringend an die Bundesregierung, ihre Entscheidung zu überdenken und die notwendigen Mittel zur Verfügung zu stellen, um das Bundesaufnahmeprogramm fortzuführen und den betroffenen Menschen den versprochenen Schutz zu gewähren.