Die zivilisierten und die wilden Geflüchteten
Bayerischer Flüchtlingsrat fordert Rücktritt der bayerischen Integrationsbeauftragten
Die bayerische Integrationsbeauftragte hat am 19.04.22 eine Pressemitteilung veröffentlicht, in der sie die zügige Bereitstellung von Integrationskursen für ukrainische Geflüchtete fordert. Um diese Forderung zu unterstreichen, lässt sie sich mit den Worten zitieren: „Ukrainischen Geflüchteten muss nicht erklärt werden, wie eine Waschmaschine funktioniert, oder dass auf dem Zimmerboden nicht gekocht werden darf. Wichtiger und vor allem zielführender ist ein schneller und koordinierter Zugang zu Sprachkursangeboten. Sprache ist und bleibt der wichtigste Baustein für gelingende Integration!“
Juliane Scheer, Migrationsfachanwältin in München, hat darauf in einem Brief an Frau Brendel-Fischer reagiert, und der bayerischen Integrationsbeauftragten das Bedienen rassistischer Stereotype vorgeworfen. Frau Scheer schreibt weiter:
„Die meisten meiner Mandanten und Mandantinnen waren problemlos in der Lage, eine Waschmaschine zu bedienen und sie haben nur auf dem Zimmerboden gekocht, wenn und weil man ihnen in vielen Fällen die Nahrungszubereitung in eigener Regie entweder ganz verboten hat (einschließlich der Zubereitung eines Fläschchens für Kleinkinder in den Zeiten zwischen 17.00 Uhr abends und 8.00 Uhr morgens; insoweit Standard in bayerischen Anker – Zentren) oder (…) Kochmöglichkeiten nicht in ausreichender Zahl vorhanden oder dysfunktional gewesen sind. Auch gibt es keine Regel, die besagt, dass auf dem Boden nicht gekocht werden dürfte, oder? Ob die Herdplatte auf den Boden gestellt wird oder auf einem Tisch steht, ist sicher eine Geschmacks- und Gewohnheitsfrage, aber keine allgemeingültige Regel. Gerade in den Einzelfällen, in denen meine Mandanten und Mandanten tatsächlich einmal nicht von sich aus mit den Segnungen unserer modernen Technik vertraut waren, hätte der koordinierte Zugang zu Sprachkursen sehr zur Lösung der Probleme beigetragen. Allein: der war weder vorgesehen, noch möglich. Und ich kann mich nicht an eine entsprechende Forderung von Ihnen in diese Richtung erinnern.“
Nachdem Juliane Scheer daran erinnert, dass nach der aktuellen rigiden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs Geflüchtete aus der Ukraine keine Chance auf einen Flüchtlingsstatus oder auch nur Abschiebeschutz erhalten würden – würde hier der gleiche Maßstab wie bei anderen Herkunftsländern angelegt werden – stellt sie heraus: „Es gibt keinen nachvollziehbaren Grund, die afghanischen, somalischen oder äthiopischen Geflüchteten schlechter zu behandeln als die ukrainischen. Außer natürlich, man legt rassistische Maßstäbe an und macht die Ungleichbehandlung an der (unterstellten) Fähigkeit, eine Waschmaschine zu bedienen fest. Oder daran, ob einer die Kochplatte lieber auf einen Tisch oder auf den Boden stellt. Oder gleich an der Hautfarbe.“
Der Bayerische Flüchtlingsrat stellt sich voll und ganz hinter diese Argumentation.
„Wenn die Integrationsbeauftragte mit einem solchen Satz die politisch beschlossene ungleiche Anerkennung der Fluchtgründe in kulturelle oder zivilisatorische Unterschiede überträgt, leistet sie rassistischem Denken Vorschub. Die einen, europäischen, Geflüchteten, wären zivilisiert, die anderen nicht. Das ist so etwa das Gegenteil dessen, was wir von einer Integrationsbeauftragten erwarten. Die bayerische Staatsregierung sollte sich schleunigst nach einer neuen Besetzung für das Amt der Integrationsbeauftragten umsehen. Frau Brendel-Fischer ist nach dieser Äußerung nicht länger tragbar“, so Stephan Dünnwald, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Wir brauchen in Bayern eine Integrationsbeauftragte, die auch für die Integration eintritt.“
Hier finden Sie die Pressemitteilung von MdL Brendel-Fischer
Hier finden Sie den Brief von RAin Juliane Scheer an MdL Brendel-Fischer