Der erste Corona-Tote in einem bayerischen Flüchtlingslager
Geflüchteter aus dem ANKER-Zentrum Schweinfurt am 20.4.2020 verstorben / Flüchtlingsrat fordert: Flüchtlinge schützen und Sammelunterkünfte schließen!
Am Abend des 20.4.2020 ist ein Geflüchteter aus dem ANKER-Zentrum Schweinfurt (Geldersheim) an Covid-19 verstorben. Laut einer Pressemitteilung der Regierung von Unterfranken sei der Mann 60 Jahre alt gewesen und hätte mehrere Vorerkrankungen gehabt. Er gehörte damit zu den Risikogruppen, die es besonders zu schützen gilt. Er wurde jedoch nicht aus dem Gefahrenbereich des ANKER-Zentrums Schweinfurt geholt und in Sicherheit gebracht, sondern lediglich in ein gesondertes Gebäude innerhalbes Lagers verlegt, wo er auch weiterhin in einem Mehrbettzimmer untergebracht war. Genützt hat es offenbar nichts: Der Mann hat sich mit dem Coronavirus infiziert, wurde zunächst in das Krankenhaus in Schweinfurt eingeliefert und von dort nach Münnerstadt verlegt, wo er verstarb.
Der Bayerische Flüchtlingsrat ist bestürzt über den ersten Toten in einem bayerischen Flüchtlingslager. „Wir sind in Gedanken bei dem Verstorbenen und seinen Angehörigen. Gleichzeitig fürchten wir, dass es nicht bei einem Toten bleiben wird, viele weitere Flüchtlinge haben sich in den bayerischen ANKER-Zentren und Gemeinschaftsunterkünften infiziert, einige Menschen werden im Krankenhaus behandelt, wir wissen von mindestens einem Fall auf der Intensivstation“, erklärt Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats.
Die ganze Welt leidet unter der Corona-Pandemie und es wird auch weiterhin Menschen geben, die ihren schweren Erkrankungen erliegen, das Virus differenziert dabei nicht nach Staatsangehörigkeit, Herkunftsland oder Aufenthaltsstatus. Generell werden Menschen, die zu Risikogruppen gehören, besonders geschützt. Verdachtsfälle und Infizierte werden umgehend isoliert und unter häusliche Quarantäne gestellt, um eine Weiterverbreitung der Infektion zu vermeiden. Flüchtlinge sind jedoch einem besonderen Risiko ausgesetzt, denn bei ihnen ist das Gegenteil der Fall: Die Risikogruppen werden nicht aus dem Gefahrenbereich gebracht, sondern weiter in den Flüchtlingsunterkünften untergebracht. Treten Infektionen auf, werden gleich ganze Unterkünfte unter Quarantäne gestellt und eine Infektion aller Bewohner*innen wird in Kauf genommen.
Seit Wochen fordert der Bayerische Flüchtlingsrat, die Belegung zu entzerren und dafür zu sorgen, dass sich Flüchtlinge vor einer Infektion schützen können, indem es ihnen ermöglicht wird, Kontakte zu reduzieren und Mindestabstände einzuhalten. Die Nutzung von Gemeinschaftswaschräumen, -toiletten und -küchen ist schon in normalen Zeiten eine Zumutung, unter Coronabedingungen jedoch lebensgefährlich. Nicht nur die gemeinschaftliche Nutzung an sich birgt Gefahren – teilweise sind nicht einmal ausreichend Seife, Trockentücher und Toilettenpapier vorhanden. Weil nichts geschehen ist, haben wir die Verantwortlichen der Behörden angezeigt, um Druck auf eine schnelle Gefahrenreduzierung auszuüben.
„Die Realität zeigt deutlich, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in großen Sammelunterkünften unter Infektionsschutzaspekten eine Katastrophe ist. Flüchtlinge müssen endlich in die Lage versetzt werden, sich effektiv vor einer Infektion mit dem Coronavirus zu schützen“, so Alexander Thal weiter. „Wir fordern die Staatsregierung ultimativ auf, die Flüchtlingslager zu schließen und die Bewohnerinnen und Bewohner schnellstmöglich in leerstehenden Hotels und Jugendherbergen unterzubringen!“