Bayerische Bezahlkarte – symbolpolitischer Aktionismus ohne Verstand
Chance vertan: „Bayern-Karte“ bietet keine Lösungen – statt Vorreiterrolle nur Rolle rückwärts
Seit dem Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 6. November 2023 ist klar: Die Bezahlkarte für Geflüchtete soll kommen und das bundesweit. Früh machte die Bayerische Staatsregierung deutlich, dass sie im Alleingang handelt. Vor allem um zu zeigen: Wir machen Ernst, wenn es um die Abwehr von Geflüchteten geht. So lässt die wiederholte Aussage von Markus Söder, ‚finanzielle Anreize‘ für Geflüchtete müssten gesenkt werden, keinen Zweifel an der Ausrichtung des Projekts. Die dahinterliegende Behauptung, dass Menschen aufgrund von Sozialleistungen nach Deutschland kämen und Restriktionen in diesem Bereich ein probates Mittel sind, um Menschen davon abzuhalten zu kommen, ist falsch. In der Migrationsforschung gelten diese sogenannten „Pull-Faktoren“ als längst überholt und wissenschaftlich nicht nachweisbar. Menschen fliehen in erster Linie vor Krieg, Unterdrückung und humanitären Notlagen. Ökonomische Faktoren greifen für die Erklärung von Fluchtbewegungen viel zu kurz. Das stellt auch die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erstellte Studie „Warum Deutschland“ fest. Wesentlicher für die Wahl eines Ziellandes sind familiäre oder freundschaftliche Verbindungen, Bildungs- und Arbeitsperspektiven sowie rechtsstaatliche Sicherheit einer demokratisch verfassten Gesellschaft.
Bezahlkarten als Instrument einzusetzen, um die Zahl der Asylbewerber:innen ‚deutlich und effektiv‘ zu senken, sind eine mutmaßlich verfassungswidrige Angelegenheit. Denn schon 2012 entschied das Bundesverfassungsgericht: Sozialleistungen dürfen nicht zur Abschreckung von Geflüchteten missbraucht werden!
„Es hätte hier tatsächliche Lösungen geben können, die die Kommunen entlasten, weil ressourcenaufwendige Bargeldbeschaffung und Auszahlung wegfallen. Wie etwa von Beginn an den Zugang zum girokontogleichen Zahlungsverkehr zu ermöglichen – ebenso in Hannover geschehen“, so Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Die Bayerische Staatsregierung will augenscheinlich keine Politik machen, die informiert ist und auf Tatsachen beruht. Statt von Vorreiterrolle, muss man hier eher von einer Politik der Ewiggestrigen sprechen, die die Augen vor der Faktenlage verschließt. Dabei wäre besonders jetzt, wo die AfD an Zustimmungswerten gewinnt und rassistische Gewalt drastisch zunimmt, eine ausgewogene und faktenbasierte Kommunikation im Bereich Flucht und Migration zwingend notwendig“, kritisiert Grote weiter.
Die aktuelle Planung der bayerischen Staatsregierung zur Einführung einer Bezahlkarte schränkt die Selbstbestimmung und Handlungsfreiheit von Geflüchteten massiv ein. Überall dort, wo Bargeld oder ein Überweisungsschein erforderlich sind, ist keine Bezahlung mehr möglich. Sowohl der Kauf einer Breze am Schulkiosk, das Materialgeld in der Schule, als auch die Bezahlung der Anwaltskosten werden zu einer logistischen Herausforderung. Wie genau sich der Bargeldbetrag von 50 Euro berechnet und rechtfertigen lässt, ist bislang nicht transparent gemacht worden. Termine bei Behörden, Ärzt:innen oder Anwält:innen oder auch Besuche bei Freund:innen oder Verwandten werden praktisch unmöglich gemacht. Keine Überweisungen tätigen zu können, heißt auch weiterhin von der Nutzung des Deutschlandtickets ausgeschlossen zu werden. Fraglich ist zudem, wie es um den Datenschutz der Karte und insbesondere um den Schutz vor Missbrauch der Daten und der Zugriffsmöglichkeiten durch die Behörden aussehen wird.
„Die Bayern-Karte in der angekündigten Form lässt viele Fragen offen. Die Umsetzung wird absehbar zu Ärger und zusätzlicher Belastung von Nutzer:innen und unterstützenden Strukturen führen. Sie ist eine weitere Maßnahme, die geflüchtete Menschen diskriminiert, weil sie die Teilhabe am alltäglichen Leben erschwert. Ein schnelles Ankommen und Einfinden in die Gesellschaft wird so verhindert. Genau dies sollte das eigentliche Ziel einer konstruktiven Asylpolitik in diesen Zeiten sein“, sagt Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat.