Alleinstehende, psychisch kranke Frau soll nach Äthiopien abgeschoben werden
PRO ASYL und Bayerischer Flüchtlingsrat fordern Abschiebestopp
Während in der gesamten Bundesrepublik über eine Verlängerung des (Teil-)Lockdowns und schärfere Maßnahmen im Kampf gegen Covid-19 diskutiert wird, schieben bayerische Behörden weiter ab. So auch Mimi T. aus Nürnberg. Für Donnerstag, den 26.11.2020 soll ihre Abschiebung mit einem Linienflug der Ethiopian Airlines geplant sein. Die Betroffene wurde bereits in Abschiebungshaft genommen.
Mimi T. hat in Äthiopien niemanden mehr. Erfolglos hat sie bereits versucht, ihre Familie mithilfe des Suchdienstes des Deutschen Roten Kreuzes ausfindig zu machen. Die junge Frau hat 2009 Äthiopien verlassen, weil sie dort als Oppositionelle gegen das damalige TPLF-Regime unterdrückt wurde. Sie wurde inhaftiert und erlitt sexuelle Gewalt. Bevor sie vor acht Jahren nach Deutschland kam, hat sie als Haushaltshilfe in Dubai gearbeitet, wo sie geschlagen und gedemütigt wurde. Ihr bisheriges Leben hat Spuren hinterlassen. Seit längerem ist Mimi T. im Psychosozialen Zentrum in Nürnberg wegen einer schweren depressiven Episode und Verdacht auf eine posttraumatische Belastungsstörung in therapeutischer Behandlung. Weiter steht sie hier in Deutschland in einer Beziehung zu einem anderen Äthiopier, kirchlich geheiratet haben sie schon.
„Und schon wieder ist es die Ausländerbehörde Nürnberg, die mit brutalen und unbarmherzigen Abschiebeplänen auf sich aufmerksam macht“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Auf der ganzen Welt tobt das Covid-19 Virus, das äthiopische Gesundheitssystem ist mit der Pandemie heillos überfordert. Das Land ist politisch höchst instabil, zudem stellt die Heuschreckenplage Äthiopien vor massive Versorgungsprobleme. Jetzt eine alleinstehende, psychisch kranke Frau dorthin abzuschieben, ist eine neue Dimension der Härte und völlig inakzeptabel“.
Erst vor wenigen Wochen wurden mehrere Menschen nach Äthiopien abgeschoben. Nun trifft es eine alleinstehende Frau, die das Land seit über zwölf Jahren nicht betreten hat.
„Mimi T. zum aktuellen Zeitpunkt in ein Land abzuschieben, in dem sie nichts und niemanden hat, ist ein Skandal“, erklärt Geschäftsführer Günter Burkhardt von PRO ASYL. „PRO ASYL fordert einen generellen Abschiebestopp nach Äthiopien. In eine täglich eskalierende Situation, wo aus einem regionalen Konflikt ein Flächenbrand zu werden droht, darf nicht abgeschoben werden. Gegen die Abschiebung spricht nicht nur ein Grund, sondern es liegt eine Vielzahl an Gründen vor: Der drohende Bürgerkrieg, die unkalkulierbaren Folgen der Pandemie sowie die massiven Versorgungsprobleme aufgrund der Heuschreckenplage. Solange nicht klar ist, wie sich der Konflikt, die Heuschreckenplage und die Pandemie weiter entwickeln werden, fordern wir einen generellen Abschiebestopp nach Äthiopien“.
Äthiopien steht an der Schwelle zum Bürgerkrieg. Der Konflikt zwischen der nördlichen Region Tigray und der Zentralregierung eskaliert seit einigen Wochen – wobei die Lage sehr unübersichtlich ist. Berichtet wird von Hunderten Toten und Verletzten und über 40.000 Menschen auf der Flucht. Die Informationslage ist undurchsichtig, da Mobilnetz und Internet seit Wochen ausgeschaltet sind. Der Konflikt hat Potenzial die gesamte Region zu erschüttern. Inmitten dieser Krise – neben Corona-Pandemie und Heuschreckenplage, mit der die Region seit Monaten zu kämpfen hat – hält Deutschland dennoch an Abschiebungen nach Äthiopien fest.