Abschiebung nach Afghanistan wider jeder Vernunft und Menschlichkeit
Für heute, den 6. Juli, ist die nächste Abschiebung nach Afghanistan geplant, voraussichtlich vom Flughafen Hannover. Bayern beteiligt sich vermutlich wieder mit besonders vielen Geflüchteten an der Abschiebung, kritisiert der Bayerische Flüchtlingsrat.
Am Mittwoch, den 30.06.2021 kehrten die letzten deutschen Soldat:innen aus Afghanistan nach Deutschland zurück. Nicht einmal eine Woche später soll die nächste und mittlerweile 40. Sammelabschiebung nach Afghanistan stattfinden. Die Anschläge und Opferzahlen steigen, Afghanistan ist nach dem Global Peace Index das unsicherste Land der Welt und die Deltavariante des Cornavirus schlägt voll durch. Wie sich die Situation nach dem Truppenabzug entwickeln wird ist ungewiss. Schon jetzt nehmen die Anschläge der Taliban zu und auch offizielle Quellen melden große Gebietsgewinne der Taliban.
Unter den von der geplanten Abschiebung Betroffenen sind wieder einige aus Bayern, alle haben hier Fuß gefasst und sind einige Jahre in Deutschland:
Der dramatischste und unverständlichste Fall kommt aus Regensburg. Said M., 23 Jahre, ist verlobt mit der Regensburgerin Elisabeth T., 20 Jahre alt. Er spricht sehr gut Deutsch, er hat ein Ausbildungsplatzangebot in der Altenpflege. Die Einrichtung des Bayerischen Roten Kreuzes schreibt: „es ist derzeit schwierig aufgrund des Pflegepersonalmangels qualifizierte, empathische, sozialkompetente, belastbare und motivierte Auszubildende zu finden. Da auf Sie die Beschreibung passt, würden wir Ihre Mitarbeit als Auszubildender sehr begrüßen.“ Das alles zählt nicht, M. gilt als Straftäter, weil er sich wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis eine Strafe eingefangen hat. Die Geldstrafe ist längst bezahlt, eigentlich vergessen, jetzt muss er deswegen nach Afghanistan. Seine Verlobte ist verzweifelt. M. musste für den Heiratsantrag seinen Reisepass beim Standesamt vorlegen. Bei der Gelegenheit wurde er verhaftet.
Auch betroffen ist Ali R. (Name geändert) aus Passau. R. hat Afghanistan im Alter von sechs Jahren verlassen, Verwandte leben jetzt im Iran, zu seinem Vater hat er gar keinen Kontakt mehr. Er hat den bayerischen Mittelschulabschluss gemacht und bereits das erste Jahr an der Berufsfachschule für Ernährung und Versorgung bestanden. Einen rechtlichen Anspruch auf Erteilung der Ausbildungsduldung hat er sich aufgrund einer Verurteilung zu 70 Tagessätzen verbaut. Trotzdem könnte die Ausländerbehörde den Aufenthalt bis zum Abschluss der Ausbildung dulden. Gegen eine Abschiebung sprechen weiter eine fachärztlich bescheinigte psychische Erkrankung und akute Suizidgefahr.
Amar A. ist seit 2015 in Deutschland, hat ebenfalls einen Mittelschulabschluss und eine Ausbildung zum Metzger begonnen. Diese musste er aufgrund einer Verschlechterung seiner psychischen Verfassung abbrechen. Er ist seit drei Jahren in ärztlicher und psychologischer Behandlung und muss regelmäßig Antidepressiva einnehmen. Seit kurzem ist er mit einer hier lebenden Afghanin verlobt.
„Bayern schiebt weiterhin rigoros nach Afghanistan ab. Weder die Corona-Pandemie noch der grassierende Krieg und die zunehmenden Anschläge in Afghanistan veranlassen das Innenministerium zum Überdenken der Abschiebungen. Wie jedes Mal sind auch junge Männer betroffen, die in Deutschland seit Jahren leben und sich hier ein neues Leben aufgebaut haben. Die Einstufung als Straftäter ist in vielen Fällen lächerlich. Schon geringe und längst verbüßte Strafen reichen dem Innenministerium als Begründung für eine Abschiebung. Die Abschiebung von Menschen mit Straftaten ist eine Doppelbestrafung und eines Rechtsstaats nicht würdig“, kritisiert Agnes Andrae vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Es braucht einen bundesweiten Abschiebestopp nach Afghanistan. Die Ressourcen sollten zur besseren Integration und einer anständigen medizinischen Versorgung genutzt werden.“