Abschiebung statt Standesamt
Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert die morgige Sammelabschiebung in den Irak: schwerwiegende Konsequenzen für junges Paar
Seit knapp einem halben Jahr schiebt Deutschland vermehrt in den Irak ab. Während sich einige Bundesländer bislang enthalten, greift Bayern mit unverhältnismäßiger Härte durch und macht noch nicht einmal vor Familien mit Kindern oder Jesid*innen Halt gemacht. So ist nach unseren Informationen für Dienstag, den 12. Dezember 2023, ein Sammelcharter vom Flughafen München in den Irak geplant.
Einer der Betroffenen ist Sami* aus Niederbayern. Sami wurde am Tag seines Geburtstags in der Ausländerbehörde verhaftet, als er eigentlich einen Termin zur Duldungsverlängerung wahrnehmen wollte. Sami ist seit mehr als fünf Jahren in Deutschland und hat in dieser Zeit, sobald es ihm rechtlich möglich war, gearbeitet. Seine jetzige Arbeitsstelle, ein kleiner gastronomischer Betrieb, ist dringend auf Sami angewiesen, da er als Vollzeitkraft den Küchenbetrieb größtenteils in Eigenregie führt. Als die Bundesregierung den Chancenaufenthalt beschloss, machte sich Sami daher große Hoffnungen und stellte im Januar 2023 einen Antrag nach § 104c AufenthG. Doch die Ausländerbehörde lehnte diesen ab, da die durchgehende Duldungszeit von 5 Jahren vermeintlich nicht erreicht wurde. Ein bekanntes Problem in Bayern, denn Ungenauigkeiten im Gesetz werden hier besonders restriktiv und zulasten der Antragssteller:innen ausgelegt.
„Der Chancenaufenthalt im Sinne des Gesetzgebers wurde geschaffen, um lang geduldeten Menschen in
Deutschland wie Sami eine Perspektive zu geben. Dass die Voraussetzungen bei ihm nicht vorliegen, ist unserem Empfinden nach strittig, da die fehlenden Duldungszeiten nachvollziehbar nachgewiesen werden können“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Sami sollte die Chance gegeben werden, erneut einen Antrag zu stellen, denn er gilt eigentlich als Paradebeispiel für Menschen, die selbst Konservative als Positivbeispiel bezeichnen. Doch selbst davor macht die bayerische Abschiebepraxis keinen Halt. Das Handeln der Behörden zeigt mal wieder: keine Chance in Bayern.“
Besonders tragisch: Sami hat im Juni 2023 seine Freundin Layla* muslimisch geheiratet. Der Plan des jungen Paares war eigentlich eine standesamtliche Heirat. Während die Unterlagen von Sami vorliegen, haben die angefragten Standesämter von Layla einen irakischen Nationalpass verlangt, obwohl diese als Jesidin vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vor Jahren die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt bekommen hat. Layla hat einen sogenannten Konventionspass, der als Passersatz gilt und als solcher von den Behörden anerkannt werden muss.
„Die Standesämter haben mit mutmaßlich falschen Informationen die Eheschließung des Paares verzögert. Versagen von deutschen Behörden darf nicht zum Nachteil der Verlobten ausgelegt werden“, so Böhm weiter. „Wir fordern das Bayerische Innenministerium dringend auf, den Samis Fall nochmal zu überprüfen und das junge Glück nicht zu zerstören“.
Erschwerend hinzu kommt die Tatsache, dass Layla, eine angehende Krankenschwester, von Gewalt in ihrer Herkunftsfamilie betroffen ist. Es gab Strafanzeigen, Verhandlungen vor dem Familiengericht und ein Kontaktverbot gegen Familienmitglieder. Die Bedrohungen halten bis heute an und betreffen Layla als auch Sami.
„Die Bedrohungen meiner Familie werden auch im Irak weitergehen. Ich habe riesige Angst um meinen Mann“, erzählt Layla. „Sami und ich wollten in Deutschland eine Familie gründen. Wenn er abgeschoben wird, bleibt mir nichts Anderes übrig, als meine Ausbildung abzubrechen und ihm in den Irak zu folgen. Auch wenn das für uns beide sehr gefährlich ist.“
*Namen aufgrund der Bedrohungssituation geändert