Abschiebecharter in die Obdachlosigkeit
Trotz katastrophaler Situation vor Ort startete letzte Woche ein Sammelcharter von München nach Griechenland | Münchner Flüchtlingsrat und Bayerischer Flüchtlingsrat fordern, Abschiebungen nach Griechenland zu stoppen
Münchner Flüchtlingsrat und Bayerischer Flüchtlingsrat fordern das bayerische Innenministerium auf, Abschiebungen nach Griechenland zu stoppen. Abschiebungen nach Griechenland gelten seit Jahren als umstritten, da Geflüchteten dort unmenschliche Behandlung im Sinne der Europäischen Menschenrechtskonvention droht. Menschen, die in Griechenland einen Schutzstatus erhalten haben, können in vielen Fällen nicht einmal ihre elementaren Grundbedürfnisse decken. Tausende haben keinen Zugang zum Gesundheitssystem oder Arbeitsmarkt und landen in Folge obdachlos auf der Straße.
Das haben auch deutsche Gerichte und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) weitgehend erkannt, die mittlerweile ihre Entscheidungspraxis der Situation für Geflüchtete in Griechenland angepasst haben und in vielen Fällen Abschiebeverbote nach Griechenland erlassen.
Doch Bayern hat am 22. Februar 2023, mutmaßlich im Alleingang, zahlreiche Menschen vom Münchner Flughafen ins Ungewisse abgeschoben. Der Münchner Flüchtlingsrat sowie der Bayerische Flüchtlingsrat haben Kenntnis von mehreren Menschen, die von der Abschiebung betroffen waren. Einige von ihnen waren bereits seit mehreren Jahren in Deutschland. Bei ihren Asylanträgen ergingen, wie damals noch gängige Praxis, Unzulässigkeitsentscheidungen.
„Dass Bayern sehenden Auges in die Obdachlosigkeit abschiebt, grenzt an einen Skandal. Wenn man die europäische Menschenrechtskonvention ernst nimmt, hätte auf keinen Fall nach Griechenland abgeschoben werden dürfen. Andere Bundesländer scheinen dies ebenso zu sehen, denn vermutlich saßen nur Menschen aus Bayern in der Maschine nach Athen,“ berichtet Loulou Kinski vom Münchner Flüchtlingsrat. „Wir stehen im Kontakt mit einigen Abgeschobenen. Die Situation hat sich für die Geflüchteten seit ihrer letzten Ausreise nicht verbessert. Sie sind weiterhin obdachlos, haben keine Unterstützung und die Hilfsorganisationen sind überfordert mit der Vielzahl an Hilfesuchenden, so dass sie auch dort weggeschickt werden.“
So auch bei Frau M. aus Äthiopien, die in Griechenland internationalen Schutz erhalten hat. 2017 stellt sie einen Asylantrag in Deutschland, diesen lehnen BAMF und Verwaltungsgericht ab. Ein Schock für die alleinstehende Frau, denn in Griechenland wurde sie Opfer von Zwangsprostitution und multiplen Gewalterfahrungen, aufgrund derer sie in Deutschland jahrelang ärztliche Behandlung in Anspruch nehmen muss. Im Januar 2023 stellt Frau M. einen Antrag auf den neuen Chancenaufenthalt nach §104c AufenthG. Bis heute hat sie keine Entscheidung über ihren Antrag erhalten. Mitte Februar wird Frau M. von der Polizei festgenommen, in Abschiebehaft gebracht und in einer Nacht- und Nebelaktion abgeschoben. Ihre persönlichen Sachen sowie die von ihr benötigten Medikamente kann sie nicht mitnehmen. In Griechenland steht Frau M. nun mittellos auf der Straße.
„Frau M. wurde nicht nur entgegen der aktuellen Rechtsprechung nach Griechenland abgeschoben, sie hat noch nicht einmal eine Entscheidung über ihren Antrag auf den Chancenaufenthalt erhalten. Beides ist eines Rechtsstaates nicht würdig,“ kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Wir fordern das bayerische Innenministerium auf, Frau M. die Wiedereinreise zu ermöglichen und Abschiebungen nach Griechenland zu unterlassen!“