Can I pay this Bratwurst with card?
Bayerischer Flüchtlingsrat kritisiert geplante Einführung der Bezahlkarte als diskriminierend und vermutlich rechtswidrig
Das Bayerische Innenministerium hat gestern verkündet, dass die Bezahlkarte ab März in vier bayerischen Pilot-Kommunen starten soll. Den Zuschlag hat das Unternehmen ‚PayCenter‘ mit Sitz in Freising und Stuttgart erhalten. Auf seiner Website beschreibt das E-Geld-Institut detailliert, was die Karte alles kann.
Während es den Behörden ermöglicht wird, jederzeit den Guthabenstand einzusehen und die Karte zu sperren, könnten Online-Zahlungen nur begrenzt oder gar nicht möglich sein. Zudem plant das Bayerische Staatsministerium, besonders Bargeldabhebungen in Höhe und Anzahl einzuschränken.
„Die Bezahlkarte eröffnet Behörden die Möglichkeit für allerlei Schikanen. Wir sehen in der bayerischen Umsetzung massive verfassungs- und datenschutzrechtliche Defizite. Die Bezahlkarte nach bayerischem Modell schränkt Geflüchtete in ihrer Handlungs- und Bewegungsfreiheit ein. Sie gibt Behörden Informationen über Personendaten und Handlungsspielräume, was zum Missbrauch einlädt“, befürchtet Katharina Grote vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Die Karte kann auf bestimmte Postleitzahlgebiete eingeschränkt werden. Das hätte zur Folge, dass Personen außerhalb dieses Radius, beispielsweise bei einem Ärtz:innen- oder einem Familienbesuch nicht mehr zahlen können. Selbst der Besuch am Supermarkt im nächsten Ort oder an der nächsten Ecke könnte aufgrund einer anderen Postleitzahl nicht möglich sein. Ebenso ist unklar, ob der öffentliche Nahverkehr mit der Karte bezahlt werden darf oder kann. Hinzu kommt, dass auch ein Ausschluss einzelner Händler vorgesehen ist. Im Zweifel fallen Lebensmittelläden mit Produkten aus den Herkunftsländern heraus. Auf jeden Fall sind kleine Geschäfte, die kein Kartenlesegerät nutzen, für Geflüchtete künftig tabu.
„Bayern will zukünftig bestimmen, was und wo Geflüchtete einkaufen“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat. „Wir kennen den Kontostand von Innenminister Herrmann nicht, noch dürfen wir ihm vorschreiben, wo und was er einzukaufen hat. Das ist auch gut so. Doch dieses Recht auf informelle Selbstbestimmung und Gestaltungsfreiheit des eigenen Lebens muss für alle Menschen in Deutschland gelten.“
Die Bezahlkarte, so die Rechtfertigung vieler bayerischer, aber auch bundesdeutscher Politiker:innen soll Migrationszahlen senken, einen angeblichen Missbrauch von Sozialleistungen verhindern und Schleuser-Kriminalität bekämpfen. Die Annahme der Existenz von wirtschaftlichen Pull-Faktoren ist wissenschaftlich nicht haltbar. Dass Geflüchtete während ihres Verfahrens nennenswerte Beträge an die Familie ins Ausland überweisen, ist nicht belegt und eher abwegig. Dass Schleuser vor und nicht einer Flucht bezahlt werden müssen, sollte allen, die sich mit Migration beschäftigen, klar sein.
„Die Bezahlkarte ist eine Gängelung und Diskriminierung Geflüchteter“, so Grote. „Die mit der Einführung verbundenen Hoffnung sinkender Fluchtzahlungen werden sich nicht erfüllen. Das Signal ist: wir behandeln Geflüchtete schlecht. Es richtet sich vor allem an die eigene Bevölkerung. Das ist eine Politik, die an Schäbigkeit schwer zu überbieten ist.“