Menschenrechtsorganisationen fordern Abschiebestopp nach Pakistan
Sechs Monate nach Jahrhundertflut in Pakistan: Bund und Länder führen heute Abend erneut Sammelabschiebung durch
Gemeinsame Pressemeldung von Bayerischem Flüchtlingsrat, Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz, Hum Hain Pakistan e.V. und Abschiebungsreporting NRW, 15. Februar 2023
Am heutigen Mittwochabend, 15. Februar 2023 startet erneut ein Sammelabschiebeflug von Berlin nach Islamabad, Pakistan. Mehrere Bundesländer werden dafür geflüchtete Menschen nach Berlin bringen. Pakistan war 2022 von Überschwemmungen katastrophalen Ausmaßes betroffen. Nach Angaben der Vereinten Nationen war ein Drittel des Landes überflutet, 15.000 Menschen starben, mehr als zwei Millionen Häuser seien beschädigt oder zerstört worden. Nach Angaben von UNICEF lebten Mitte Januar 2023 noch immer rund vier Millionen Kinder in der Nähe von kontaminierten und stehenden Hochwassern, was für sie ein Überlebensrisiko bedeutet.
Die Deutsche Bundesregierung erkennt an, dass die Flutkatastrophe eine direkte Folge des Klimawandels ist, für dessen Ursachen Deutschland eine besondere Verantwortung trägt. Jochen Flasbarth, Staatssekretär im Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung sagte am Rande einer Unterstützer:innenkonferenz für Pakistan in Genf Anfang Januar 2023, die Folgen des Klimawandels hätten sich im vergangenen Jahr in Pakistan „auf verheerende Art gezeigt“. Auf Gluthitze und Dürre seien „schwerste Überflutungen“ gefolgt, „die Teile des Landes komplett zerstört und Millionen Menschen die Lebensgrundlage genommen haben“.
Die jüngsten Entwicklungen in Pakistan haben sich jedoch beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge und den Ausländerbehörden offenbar noch nicht herumgesprochen. Doch erste Verwaltungsgerichte haben sich die Folgen der Flutkatastrophe näher angesehen. So verpflichtete das Verwaltungsgericht Trier am 24. Januar 2023 in einem Urteil (Az. 10 K 883/22.TR) das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, einem schwer erkrankten Mann ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz zuzusprechen, weil die Erkrankung des Mannes in Pakistan derzeit nicht rechtzeitig angemessen behandelt werden könne und er deswegen bei einer Abschiebung dorthin einer mit Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention unvereinbaren Gesundheitsverschlechterung mit intensivem Leiden ausgesetzt wäre. Das Gericht führte aus, dass in Folge der Flutkatastrophe ca. 900 der medizinischen Einrichtungen des Landes beschädigt worden seien. Rund 33 Millionen Menschen seien von der Flutkatastrophe betroffen, die Schäden würden sich der pakistanischen Regierung zufolge auf rund 30 Milliarden Euro beziffern. Obwohl der Mann einer vermögenden Familie entstamme, könne derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass er hinreichende medizinische Versorgung finden werde. Es sei davon auszugehen, dass der Wiederaufbau in Pakistan Jahre dauern werde.
Samar Khan von Hum Hain Pakistan e.V.:
„Angesichts der katastrophalen Auswirkungen der Flutkatastrophe in Pakistan ist es unverantworlich, weiter Menschen dorthin abzuschieben. Seit Monaten haben wir regelmäßig Kontakt mit von Abschiebung bedrohten Menschen in verschiedenen Abschiebegefängnissen der Bundesländer. Viele von ihnen sind aus gesundheitlichen Gründen besonders vulnerabel oder stammen aus den von der Flut besonders betroffenen Gebieten. Doch nur wenige können bei den Behörden oder vor den Gerichten den Stopp ihrer Abschiebung erreichen. Das ist ein fortdauernder Skandal!“
Bayerischer Flüchtlingsrat, Flüchtlingsrat Rheinland-Pfalz, Hum Hain Pakistan e.V. und das Abschiebungsreporting NRW fordern den Stopp der heutigen Sammelabschiebung.
Schon 2021 stand Pakistan mit 513 abgeschobenen Menschen bundesweit auf Platz 4 bei den Abschiebungen aus Deutschland. Im ersten Halbjahr 2022 wurden bundesweit 183 Menschen nach Pakistan abgeschoben. Seit der Flutkatastrophe fand offenbar kein Umdenken bei Bund und Ländern statt. In den Monaten September bis November 2022 wurde je ein Sammelcharter nach Pakistan organisiert. Daneben werden viele pakistanische Menschen auch mit Linienflügen abgeschoben.