Flüchtlingsrat fordert Abschaffung der Lagerpflicht für Geflüchtete
Innenminister Herrmann und CSU-Fraktionsvorsitzender Kreutzer polemisieren gegen Geflüchtete / Flüchtlingsrat fordert schnelle pragmatische Lösungen statt Hetze und haltloser Schuldzuweisungen
Die Sammellager für Geflüchtete in Bayern sind voll. Wie Innenminister Joachim Herrmann gegenüber verschiedenen Medien erklärt, sind die ANKER-Zentren in Bayern zu 108 % belegt. Auch die Gemeinschaftsunterkünfte sind ähnlich voll, die Bezirksregierungen, die Landkreise und kreisfreien Städte suchen händeringend nach Gebäuden, die für die Unterbringung von Geflüchteten geeignet sind.
Mit Schuldzuweisungen sind verschiedene CSU-Politiker schnell zur Hand. Thomas Kreutzer, Vorsitzender der CSU-Landtagsfraktion, sieht die Schuld in hohen Sozialleistungen, die Geflüchtete nach Deutschland locken würden. Innenminister Herrmann schiebt die Schuld für volle Unterkünfte Geflüchteten zu, die nicht aus der Ukraine kommen. Sie würden sich aufgrund des Chancenaufenthaltsrechts für langjährig hier lebende Geflüchtete, das die AMPEL-Koalition vorbereitet, auf den Weg nach Deutschland machen.
Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert diese einseitigen Schuldzuweisungen als billige Polemik auf dem Rücken der Geflüchteten. Thomas Kreutzer hält er vor, dass bereits die Hartz IV-Leistungen in Deutschland kaum zum Leben reichen, und das auch schon vor der Energiekrise in Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Die Leistungen für Geflüchtete liegen jedoch nochmals fast 20 % darunter. „Menschen flüchten nach Deutschland, weil sie Schutz für sich und ihre Angehörigen suchen, nicht aber für Sozialleistungen, die kaum das menschenwürdige Existenzminium abdecken“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des bayerischen Flüchtlingsrats.
Auch Innenminister Herrmann sollte sich mit seinen Schuldzuweisungen zurückhalten. Die jahrzehntelange verfehlte Asylpolitik in Bayern sorgt dafür, dass alle Geflüchteten im Asylverfahren und alle abgelehnten Geflüchteten für Jahre in Unterkünften untergebracht werden müssen und damit die aktuell dringend notwendigen Plätze belegen. Dass es auch anders gehen kann, zeigt das Beispiel der Geflüchteten aus der Ukraine. Sie dürfen sich grundsätzlich privaten Wohnraum suchen, nur wem Obdachlosigkeit droht, wird in Unterkünften untergebracht. Das führt dazu, dass rund 75 % der Ukrainer*innen privat unterkommen, aber nur ¼ staatliche Unterkünfte in Anspruch nimmt. Ähnliche Zahlen dürften sich auch bei Menschen aus anderen Herkunftsländern einstellen. Viele von ihnen haben ebenfalls Freunde, Verwandte und Bekannte, die sie aufnehmen würden.
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert die Bayerische Staatsregierung auf, ihre humanitären und völkerrechtlichen Pflichten zu erfüllen und alle Geflüchteten menschenwürdig unterzubringen. „Um schnell Plätze in Unterkünften zu schaffen, muss die rigide bayerische Lagerpflicht gestrichen werden. Dann kann eine erhebliche Zahl von Geflüchteten schnell aus den Unterkünften ausziehen und Platz für neu ankommende Geflüchtete machen“, fordert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Jetzt sind pragmatische Lösungen und Regelungen gefragt. Die Hetze gegen Geflüchtete und haltlose Schuldzuweisungen helfen in der aktuellen Situation nicht weiter!“