Keine Abschiebungen in den Bürgerkrieg!
Flüchtlingsräte aus Bayern und Hessen fordern die Innenministerkonferenz auf, einen Abschiebungsstopp für Äthiopien zu verhängen
Angesichts der sich immer weiter zuspitzenden politischen Lage in Äthiopien fordern der Bayerische und der Hessische Flüchtlingsrat die morgen in Stuttgart beginnende Innenministerkonferenz (IMK) auf, umgehend einen Abschiebestopp für Äthiopien zu erlassen. Allein in diesen beiden Bundesländern leben derzeit knapp 3000 ausreisepflichtige Äthiopier:innen.
Der Konflikt in Tigray droht das ganze Land in einen Bürgerkrieg zu stürzen, die Kampfhandlungen weiten sich auf immer weitere Provinzen aus. Das Auswärtige Amt ruft deutsche Staatsangehörige wegen der Auseinandersetzungen dringend dazu auf, Äthiopien schnellstmöglich zu verlassen.
„Die Lage im Land ist dramatisch und spitzt sich immer weiter zu. Angesichts der dynamischen Entwicklung des Konflikts müssen Abschiebungen nach Äthiopien sofort ausgesetzt werden“, erklärt Johanna Böhm, Mitarbeiterin des Bayerischen Flüchtlingsrates.
Am 2. November 2021 wurde der landesweite Ausnahmezustand verhängt. Die Tigray Defence Forces rücken immer weiter gegen die Hauptstadt Addis Abeba vor, mittlerweile auch von der Oromo Liberation Army unterstützt. Die Regierung ruft die Bevölkerung auf zu den Waffen zu greifen und lässt landesweit Angehörige der Volksgruppe der Tigray verhaften. Auch der UN-Sicherheitsrat geht mittlerweile davon aus, dass ganz Äthiopien im Bürgerkrieg versinken könnte. Zwei Millionen Äthiopier:innen sind auf der Flucht, mehr als sieben Millionen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen.
Trotzdem finden aus Deutschland weiterhin Abschiebungen in das Bürgerkriegsland statt: Herr B. lebte seit 2017 in einer hessischen Kleinstadt und hatte seit 2019 Arbeit. Sein Asylantrag war rechtskräftig abgelehnt, er besaß lediglich eine Duldung. Um weiterhin eine Arbeitserlaubnis zu erhalten, legte der 47-jährige Äthiopier Ende 2020 bei der Ausländerbehörde einen Pass vor. Im März 2021 wurde er direkt von seinem Arbeitsplatz abgeholt, um mit einem Sammelcharter ab München abgeschoben zu werden. Im Polizeifahrzeug unternahm er einen Suizidversuch, kam in eine Klinik und von dort in Abschiebungshaft. Ende Mai 2021 wurde er dann doch nach Addis Abeba abgeschoben – begleitet von fünf Bundespolizisten und einem Arzt.
„Allein im ersten Halbjahr 2021 wurden¸ mitten in der Corona-Pandemie und vor dem
Hintergrund des damals schon eskalierenden Bürgerkriegs, 24 Menschen nach Äthiopien abgeschoben. Die IMK muss jetzt dringend handeln und einen formalen Abschiebungsstopp auf unbestimmte Zeit beschließen“, fordert Timmo Scherenberg, Geschäftsführer des Hessischen Flüchtlingsrates.
Neben der Verhängung des Abschiebungsstopps müssen auch sämtliche abschiebungsvorbereitenden Maßnahmen wie Botschaftsvorführungen oder Passbeschaffungsmaßnahmen ausgesetzt werden.
Den Flüchtlingsräten liegen Berichte vor, dass Personen, insbesondere Angehörige der Volksgruppe der Tigray, vom Botschaftspersonal eingeschüchtert und teils bedroht werden. Auch sämtliche weitere Sanktionen, wie zum Beispiel Arbeitsverbote, müssen seitens der Ausländerbehörden aufgehoben werden.