Abschiebestopp nach Afghanistan – Jetzt!
Humanitäre Notlage in Afghanistan | Bayerischer Flüchtlingsrat fordert die Bayerische Staatsregierung auf, Abschiebungen nach Afghanistan auszusetzen | Außenministerium setzt derweil Regierung in Kabul unter Druck
Mit einem offenen Brief fordert der Bayerische Flüchtlingsrat von der Bayerischen Staatsregierung einen sofortigen Abschiebestopp nach Afghanistan.
Die seit Jahrzehnten katastrophale Situation in Afghanistan spitzt sich immer weiter zu. Der schwelende Bürgerkrieg und die manifestierte schlechte wirtschaftliche Lage sorgen für beständige humanitäre Krisen. Durch die Covid-19 Pandemie hat sich die existenzbedrohende Notlage der Zivilbevölkerung noch einmal massiv verschlechtert. Das sukzessive Erstarken der radikalislamistischen Taliban wird durch den Abzug der internationalen Truppen eklatant verschärft. So haben die Taliban mittlerweile mehr als die Hälfte der 388 afghanischen Distrikte unter ihrer Kontrolle. Weitere große Teile sind umkämpft.
Anfang Juli hat das afghanische Flüchtlingsministerium (MoRR – Ministery of Refugees and Repatriation) mitgeteilt, in Anbetracht der Sicherheitslage keine Abschiebungen mehr zu akzeptieren. Während inzwischen Finnland, Schweden und Norwegen daraufhin Rückführungen nach Afghanistan für die nächsten drei Monate ausgesetzt haben, negiert Deutschland die Situation vor Ort weiterhin. Bundesaußenminister Heiko Maas teilte mit, dass er Abschiebungen nach Afghanistan nach wie vor für vertretbar halte. Dennoch soll die Sachlage geprüft und auf Grundlage eines neuen Lageberichts zu Afghanistan entschieden werden. Der nicht öffentliche Lagebericht enthält jedoch laut Meldung der TAZ vom 23.07.2021 relativierende, veraltete und auch falsche Informationen. Lars Castellucci, der migrationspolitische Sprecher der SPD im Bundestag hingegen will Abschiebungen nach Afghanistan aussetzen. Von einer verlässlichen Quelle in Kabul ist derweil zu hören, dass erst gestern der deutsche Botschafter für Pakistan und Afghanistan, Jasper Wieck, beim afghanischen Flüchtlingsminister vorgesprochen hat und massiv Druck ausgeübt hat, um die Abschiebung von wenigstens zehn Afghanen durchzusetzen.
„Dass die Bundesregierung weiterhin an Abschiebungen nach Afghanistan festhält, ist unerträglich. Es ist eine Schande, dass das SPD-geführte Außenministerium die Regierung in Kabul unter Druck setzt, Abschiebungen weiter zuzulassen. Dieses wahlkampftaktische Gebaren kostet Menschenleben“, kritisiert Johanna Böhm vom Bayerischen Flüchtlingsrat.
Ein sogenannter Abschiebestopp kann gem. § 60a Absatz 1 Aufenthaltsgesetz von den Bundesländern für zunächst drei Monate beschlossen werden. Heute hat der Bayerische Flüchtlingsrat einen offenen Brief an die Bayerische Staatsregierung verschickt und diese aufgefordert, einen Abschiebestopp auszusprechen. Auch die Grünen im Landtag haben am 21. Juli 2021 eine Aussetzung der Abschiebungen gefordert. Auch die SPD im Landtag hat einen Abschiebestopp in Corona-Hochrisikogebiete und autoritäre Staaten beantragt. Der Würzburger Flüchtlingsrat hat bereits letzte Woche einen Appell gegen Abschiebungen nach Afghanistan veröffentlicht.
„In Bezugnahme auf die Sicherheitslage und die dramatische humanitäre Situation in Afghanistan fordern wir die Bayerische Staatsregierung dringend dazu auf, den längst überfälligen Abschiebestopp nach Afghanistan zu erlassen“, so Johanna Böhm weiter.