Newsletter 04/2021
Aktuelles
Osterpause
Der Bayerische Flüchtlingsrat geht in die Osterpause. Vom 02. bis 11. April 2021 haben wir geschlossen. In ganz dringenden Fällen können Sie eine Mail an kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de schreiben (bitte bereits im Betreff mit „dringend“ kennzeichnen). Ab dem 12. April sind wir wieder wie gewohnt zu erreichen.
Bayerische Asylbilanz 2020
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann stellt seine Asylbilanz vor / Flüchtlingsrat entlarvt seine Augenwischerei und veranstaltet eigene Pressekonferenz
Am 22. März 2021 stellte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann seine Asylbilanz 2020 vor. Besonders brüstete er sich damit, dass die „Migrationssteuerung auch in schwierigen Zeiten“ gelänge – in Zahlen: durch 1.558 Abschiebungen sowie rund 8.000 „freiwillige“ Ausreisen. Dabei lobte er insbesondere das „hohe Engagement der bayerischen Ausländerbehörden.“ Diese Aussagen sind an Zynismus nicht zu überbieten. Sie lassen völlig unter den Tisch fallen, was es bedeutet, in Zeiten einer Pandemie Menschen in Länder zurückzuschicken, die deutlich mehr von der Coronakrise gebeutelt werden als Europa, deren Gesundheitssysteme kurz vor dem Kollaps stehen und die weit davon entfernt sind, in naher Zukunft auch nur annähernd genügend Menschen zu impfen, um eine Herdenimmunität zu erreichen.
Weiterhin behauptete Herrmann, das bayerische Innenministerium meistere auch die Herausforderungen der Corona-Pandemie bei der Betreuung und Unterbringung erfolgreich. Aktuell stünden zwei Aufnahmeeinrichtungen unter Quarantäne. Bei rund 35 Einrichtungen dieser Art sind das jedoch knapp 6 % – ganz zu schweigen von der Tatsache, dass sich im letzten Jahr zahlreiche Unterkünfte teils wochenlang in Quarantäne befanden. Außerdem liegt Bayern im bundesweiten Vergleich in absoluten Zahlen der Coronainfektionen deutlich an erster Stelle.
Der Bayerische Flüchtlingsrat hat vor der Pressekonferenz von Herrmann vor dem Innenministerium seine eigene Asylbilanz vorgestellt.
Mehr zu dem Thema sowie zahlreiche Presseberichte findet ihr hier
Das Corona-Impfkonzept ist ausbaufähig
Bayerischer Flüchtlingsrat: Bayern hat sich eine große Zahl von Corona-Infektionen durch große Lager selbst eingebrockt. Jetzt sind auch große Anstrengungen bei den Impfungen nötig
Am 29.3.2021 hat das bayerische Innenministerium das Impfkonzept für Unterkünfte für Geflüchtete in Bayern veröffentlicht. Es sieht vor, dass Geflüchtete in ANKER-Zentren und den wenigen Unterkünften für vulnerable Personen vor Ort geimpft werden sollen. Dasselbe gilt für Geflüchtete in Unterkünften mit mehr als 150 Bewohner:innen, sofern sich mindestens 50 von ihnen impfen lassen wollen. Haupt- und ehrenamtliche Flüchtlingsberater:innen sollen nur vor Ort mitgeimpft werden, wenn sie bei der Aufklärung und Beratung zur Impfung mithelfen. Geflüchtete aus allen anderen Unterkünften sollen sich grundsätzlich eigenständig für eine Impfung anmelden, entweder online oder telefonisch beim Impfzentrum oder ab April bei ihren Hausärzt:innen.
Geflüchtete sind in ihren Unterkünften einer hohen Corona-Infektionsgefahr ausgesetzt. Sie leben dort mit vielen anderen Menschen zusammen, teilen sich Küchen, Toiletten und Waschräume und sind deshalb nicht in der Lage, Sicherheitsabstände einzuhalten. Zudem haben sie keinen Einfluss auf ihren Wohnort, sondern wurden von der bayerischen Staatsregierung gesetzlich dazu verpflichtet, in diesen Unterkünften zu leben.
Ausführliche Infos hierzu findet ihr hier
Abschiebung von Sara A.
Bayerischer Flüchtlingsrat ist entsetzt über die Abschiebung der schwer traumatisierten Frau nach Äthiopien
Sara wurde im Januar 1999 in Nürnberg geboren und ist hier aufgewachsen. Ihre Eltern stammen aus Äthiopien. Sara ist seit ihrem fünfzehnten Lebensjahr schwer suchtkrank und konsumiert Heroin. Mit dieser Suchterkrankung gehen eine Vielzahl von typischen Straftaten einher, darunter Kauf und Besitz von Betäubungsmitteln und Diebstahl, aber besonders häufig Hausfriedensbruch, da sie sich oft am Nürnberger Hauptbahnhof aufgehalten hat, für den sie jedoch ein Hausverbot hat.
Die Tatsache der Heroinsucht und der vielen Straftaten hat immer zu hartem Durchgreifen des Staates und der Behörden geführt: Sie wurde zu Gefängnisstrafen verurteilt, ihre Aufenthaltserlaubnis wurde entzogen, eine Therapie wurde ihr verweigert und ein erster Abschiebeversuch unternommen. Doch niemand fragte jemals nach, warum sie im Alter von 15 Jahren begonnen hat, harte Drogen zu konsumieren. In aller Regel gehen solchen Drogenkarrieren traumatische Erlebnisse voraus. So auch bei Sara. Ihre Kindheit und Jugend sind geprägt von Gewalt und körperlichen Strafen, von Grausamkeit und Missbrauch.
Sowohl Saras Anwalt als auch der Bayerische Flüchtlingsrat kommen zu der Einschätzung, dass Sara schwer traumatisiert ist. Um dies jedoch auch im Klageverfahren gegen ihren abgelehnten Asylantrag geltend zu machen, muss eine solche Traumatisierung von einem Facharzt attestiert werden. Ein Psychiater war schnell gefunden, jedoch ist es uns nicht gelungen, ihn für die Begutachtung von Sara in die JVA zu bekommen.
Stattdessen wurde Sara mit einem Sammelabschiebeflug nach Äthiopien abgeschoben.
Mehr zu dem Thema sowie zahlreiche Presseberichte findet ihr hier
Sammelabschiebung nach Äthiopien
Am Dienstag, den 23.3.2021 ging der zweite dem Bayerischen Flüchtlingsrat bekannte Sammelabschiebeflug nach Äthiopien. In Äthiopien schwelt indessen weiter ein drohender Bürgerkrieg. Vor allem in der Region Tigray im Norden des Landes tobt seit Monaten ein militärischer Konflikt mit unzähligen Opferzahlen. Menschenrechtsverletzungen sind an der Tagesordnung, der Zugang zu Trinkwasser, Nahrung und medizinischer Versorgung ist für viele Menschen vor Ort stark eingeschränkt. Zudem ist das Wirtschafts- und Gesundheitssystem Äthiopiens nach wie vor schwer von der Covid-19 Pandemie wie auch der letztjährigen Heuschreckenplage betroffen. Es droht eine humanitäre Krise.
Wir raten möglich betroffenen Personen dringend, eine Beratungsstelle aufzusuchen. Hier findet ihr unsere allgemeinen Hinweise zu Abschiebungen, aus denen auch hervorgeht, welche Personen nicht gefährdet sind.
Das Scheitern von Seehofers ANKER-Zentren
Seehofer rechtfertigte die Einrichtung der ANKER-Zentren vor über 5 Jahren unter anderem damit, dass diese dazu beitragen werden, Asylverfahren zu beschleunigen. Die Realität, die Ulla Jelpke im Bundestag durch eine Anfrage nun veröffentlicht hat, ist eine andere: Die Dauer eines Asylverfahrens in den ANKER-Zentren oder funktionsgleichen Einrichtungen im Jahr 2020 war mit 8,5 Monaten länger als im allgemeinen Durchschnitt von 8,3 Monaten. Damit zeigt sich, was die Zentren eigentlich leisten sollen: Nicht Beschleunigung sondern Abschreckung.
Weitere Infos hierzu sowie die Antwort der Bundesregierung findet ihr hier
Dieses schlechte Ergebnis bestätigt auch ein Evaluationsbericht des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. Der Bayerische Flüchtlingsrat kritisiert weiterhin massiv die Einrichtung der ANKER-Zentren. Geflüchtete werden dort auf engstem Raum über lange Zeit festgehalten. Lediglich Familien mit Kindern sollen nach sechs Monaten auf Gemeinschaftsunterkünfte verteilt werden, alle anderen müssen dort bis zu 24 Monaten ausharren. Dies zermürbt die betroffenen Menschen, es entstehen massive Konflikte durch fehlende Privatsphäre und ständige Gängelung durch Behörden und Sicherheitsdienste. Dem steht eine Beschleunigung der Asylverfahren um 5 Tage gegenüber. Asylverfahren dauern also sowohl in ANKER-Zentren als auch in anderen Aufnahmeeinrichtungen durchschnittlich 2,6 Monate.
Weitere Informationen und den Evaluationsbericht findet ihr hier
Bevorstehende Abschiebetermine
- Sammelabschiebung nach Afghanistan am 7.4.2021 von Berlin
Weitere Infos hierzu sowie unsere Warnhinweise findet ihr auf unserer Homepage oder auf der Homepage von not safe. - Sammelabschiebung nach Pakistan am 20.4.2021
- Sammelabschiebung nach Guinea am 20.4.2021 von Köln-Bonn
Warnhinweise und Informationen gegen die Angst findet ihr hier
Alle aktuellen Abschiebetermine findet ihr auf der Homepage von no border assembly
Evangelische Landessynode und katholische Bischöfe fordern Abschiebestopp
Mit ihrer Zustimmung zu einem dringlichen Antrag appelliert die Landessynode an die bayerische Staatsregierung, während der Corona-Pandemie Abschiebungen in Konflikt- und Risikoregionen einzustellen, sowie Überstellungen im Rahmen der Dublin-III-Verordnung auszusetzen. Deutschland wie auch Bayern hätten hier eine christliche, humanitäre und moralische Fürsorgepflicht.
Betty Mehrer, Weyarn, zum Beschluss der Landessynode zur Abschiebung von Flüchtlingen: „Besonders lag mir der dringliche Antrag am Herzen, der aus einer Initiative unseres Arbeitskreises „Offene Kirche“ stammt. Es geht um die Abschiebung von Flüchtlingen in Pandemie-Zeiten. Hier muss die Synode deutlich Position beziehen. Ich bin dankbar, dass wir uns als kirchenleitendes Organ klar gegen die Abschiebung von Flüchtlingen in diesen Pandemiezeiten ausgesprochen haben, zumal die ärztliche Versorgung in den Herkunftsländern zum Teil katastrophal ist.“
Mehr Infos dazu findet ihr hier
Auch die katholischen Bischöfe haben einen Abschiebestopp gefordert. Mehr dazu findet ihr hier
Aktuelle Zahlen zu Entscheidungen Afghanistan
Die Bundesregierung hat auf eine mündliche Frage der Abgeordneten Ulla Jelpke die Zahlen für Afghanistan-Entscheidungen durch das BAMF und durch Gerichte im letzten Jahr veröffentlicht.
Die Zahl der Bundesamts-Bescheide, die korrigiert werden, ist erschreckend hoch: in 60% der Fälle, in denen die Gerichte im letzten Jahr inhaltlich entschieden haben, wurde die Ablehnung des Bundesamtes aufgehoben und ein Schutzstatus erteilt – mit anderen Worten: weit mehr als die Hälfte der Ablehnungen durch das Bundesamt war nach Ansicht der Gerichte falsch.
Die mündliche Frage von Ulla Jelpke könnt ihr hier nachlesen
Hilfreich und Lesenswert
Aufklärungsmerkblatt des Robert-Koch-Instituts zur COVID-19-Impfung
Das Robert-Koch-Institut hat ein Aufklärungsmerkblatt zur COVID-19-Impfung mit mRNA-Impfstoff in mehreren Sprachen herausgegeben. Dieses findet ihr hier
Warnhinweise Anhörung Nigeria
Von Anfang bis Mitte März 2021 fanden Anhörungen zur Identitätsklärung einer nigerianischen Botschaftsdelegation in der Zentralen Ausländerbehörde in München statt. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat hierzu Warnhinweise erstellt, die für kommende Anhörungen für Betroffene nützlich sein können. Diese findet ihr auf unserer Homepage auf englisch und auf deutsch.
Flyer und Arbeitshilfen
Arbeitshilfe: Passpflicht, Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung und Identitätsklärung am Beispiel Gambia
Der Flüchtlingsrat Baden-Württemberg hat eine neue Arbeitshilfe erstellt, die gesammelte Informationen zur Beschaffung des gambischen Proxy-Passes und der gambischen Geburtsurkunde enthält. Eingeleitet wird die Handreichung mit einer rechtlichen Einordnung der Themenkomplexe Passpflicht, Mitwirkungspflicht zur Passbeschaffung und Identitätsklärung. Sie ist sicherlich für alle interessant, die sich mit der Beschaffung und Anerkennung gambischer Identitätsdokumente beschäftigen.
Die Arbeitshilfe findet ihr hier
Arbeitshilfen: Sammlung von nützlichen Informationen für Menschen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung (GGUA)
Die GGUA „Projekt Q- Qualifizierung der Flüchtlingsberatung“ hat auf ihrer Homepage folgende Übersichten aktualisiert:
- Zugang zum Arbeitsmarkt und zur Arbeitsförderung für Personen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung
- Zugang zur Sprachförderung für Personen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung
- Zugang zur Ausbildungsförderung für Personen mit Aufenthaltsgestattung und Duldung
Arbeitshilfe: Veröffentlichung des neuen Leitfadens für die Beratung zu § 16d AufenthG (GGUA)
Die Fachstelle Beratung und Qualifizierung und die Fachstelle Einwanderung im IQ Netztwerk haben einen neuen Leitfaden zum neuen § 16d AufenthG (Aufenthalt für das berufliche Anerkennungsverfahren) veröffentlicht. Diesen findet ihr hier
Flyer: Keine Propaganda auf Kosten von Geflüchteten!
„Geflüchtete sind an allem schuld*“
Alle fliehenden Menschen wollen nach Deutschland!?
Geflüchtete kommen nur wegen der hohen Sozialleistungen!?
Die meisten Geflüchteten haben gar keine Asylgründe!?
Abgelehnte Asylsuchende werden nicht abgeschoben!?
Geflüchtete sind faul und wollen nicht arbeiten!?
Mit diesen und ähnlichen Behauptungen machen Rechtspopulist:innen, Rechtsextremist:innen und andere rassistische Gruppen Stimmung gegen Geflüchtete, um Propaganda für sich und ihre menschenverachtende Ideologie zu betreiben.
Doch wie steht es um die Fakten zu diesen Behauptungen? Der Flyer GEFLÜCHTETE SIND AN ALLEM SCHULD geht diesen auf den Grund und gibt eine Argumentationsgrundlage, um sie zu entkräften.
Der Flyer kann gegen Spende und Versandkostenübernahme auch als gedruckte Version bei uns bestellt werden. Bitte wendet euch hierfür an kontakt@fluechtlingsrat-bayern.de oder ruft in einem unserer Büros an.
Broschüre: Stell dir vor, du musst fliehen
PRO ASYL hat die Broschüre „Stell dir vor, du musst fliehen“ neu aufgelegt. Die Aktualisierung betrifft vor allem die enthaltenen Zahlen sowie einige Sachverhalte, wie Push-Backs und die Situation in Moria.
Die Broschüre kann demnächst hier bestellt werden
Mitmachen
#bayernnimmtauf
Das Bündnis #bayernnimmtauf fordert in einer Petition die Bayerische Staatsregierung auf, ihren unerbittlichen Kurs gegenüber den Geflüchteten in den griechischen Lagern zu ändern. Sie fordern daher ein bayerisches Programm zur Aufnahme von Geflüchteten von den griechischen Inseln einzurichten.
Die Petition könnt ihr hier unterschreiben