Positionspapier von BAfF e.V.: Schwerkranke Geflüchtete müssen besser geschützt werden
Schwere Erkrankungen von Geflüchteten werden nicht ausreichend im Asyl- und Aufenthaltsverfahren berücksichtigt, da die Anforderungen an Atteste durch die Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre kaum noch erfüllbar sind.
Im April 2021 hat die Bundesarbeitsgemeinschaft der Psychosozialen Zentren für Flüchtlinge und Folteropfer e.V. (BAfF) ein Positionspapier zu ärztlichen Stellungnahmen im asyl- und aufenthaltsrechtlichen Verfahren herausgegeben. Durch die Asylrechtsverschärfungen im Jahr 2016 (Asylpaket II) und 2019 (Geordnetes-Rückkehr-Gesetz) müssen ärztliche Bescheinigungen die Geflüchtete einreichen, enormen formellen Anforderungen entsprechen, damit sie anerkannt werden. Diese unterscheiden sich von herkömmlichen ärztlichen Gutachten. Atteste von Psychotherapeutinnen werden zudem von vornherein ausgeschlossen. Für einen Großteil der Geflüchteten ist es nicht möglich bestehende Krankheiten zu attestieren zu lassen, so dass diese im Asylverfahren beim Bamf oder im aufenthaltsrechtlichen Verfahren von der ABH anerkannt werden. Es droht eine Abschiebung trotz schwerer Krankheit. Fachstellen und Expert:innen schlagen regelmäßig Alarm.
BAfF e.V. hat sich in einem Positionspapier mit dieser Problematik auseinandergesetzt:
Schwere Erkrankungen von Geflüchteten werden nicht ausreichend im Asyl- und Aufenthaltsverfahren berücksichtigt, da die Anforderungen an Atteste durch die Asylrechtsverschärfungen der letzten Jahre kaum noch erfüllbar sind.
Seit den Gesetzesänderungen im Jahr 2016 und 2019 (Asylpaket II, Geordnete-Rückkehr-Gesetz) müssen Schutzsuchende eine sogenannte qualifizierte ärztliche Bescheinigung einreichen, damit eine schwere Erkrankung berücksichtigt wird. Damit eine Bescheinigung im Asylverfahren als qualifiziert gilt, muss sie mehr Informationen enthalten als andere ärztliche Gutachten: Z.B. nicht nur die Krankheitsvorgeschichte, Untersuchungsmethoden und Diagnose, sondern auch die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben. In der Praxis verlangen das BAMF oder die Gerichte sogar oftmals, dass sich die Ärzt*innen ausführlich mit den Unterlagen des Asylverfahrens auseinandersetzen und diese in die Gutachten integrieren.
Im Bereich psychischer Erkrankungen (z.B. PTBS) wurden zudem Atteste von psychologischen Psychotherapeut*innen ohne fachlichen Grund ausgeschlossen.
In der Folge droht Geflüchteten die Abschiebung trotz schwerer Krankheit. Damit werden erhebliche Gefahren für ihre Gesundheit und ihr Leben in Kauf genommen. Und es ist darüber hinaus ein Verstoß gegen die von Deutschland unterzeichnete UN- Antifolterkonvention, die Opfern von Folter das Recht auf Mittel für eine möglichst vollständige Rehabilitation garantiert. Damit eine Therapie zur Wiederherstellung der psychischen Gesundheit erfolgreich sein kann, brauchen die Betroffenen einen Aufenthalt, der ihnen Sicherheit bietet.
Die gesetzlichen Anforderungen müssen in folgenden Punkten geändert werden, damit das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit von Geflüchteten geachtet und geschützt wird, wie es das Grundgesetz vorsieht:
- Stellungnahmen psychologischer Psychotherapeut*innen müssen im Asylverfahren berücksichtigt werden
Wegen des (Fach-)Arztkriteriums werden Stellungnahmen psychologischer Psychotherapeut*innen seit den Asylrechtsverschärfungen nicht mehr berücksichtigt. Hierdurch wurden circa zwei Drittel der Fachkräfte ausgeschlossen, die davor Stellungnahmen ausstellen konnten. Für den Ausschluss der Expertise psychologischer Psychotherapeut*innen besteht kein sachlicher Grund: Sie sind aufgrund ihrer Aus- und Weiterbildung zur Diagnostik und Behandlung psychischer Störungen befähigt und berechtigt.
- Hinweise auf Erkrankungen müssen beachtet werden
Befundberichte, Atteste oder Entlassungsbriefe von Kliniken genügen als einzelne Dokumente den gesetzlichen Anforderungen häufig nicht. Dennoch dürfen die darin enthaltenen Informationen nicht ignoriert werden und müssen in der Zusammenschau verschiedener vorliegender Atteste und Berichte Berücksichtigung finden. Bei Hinweisen auf eine schwere Erkrankung muss ein Gutachten, das den gesetzlichen Kriterien entspricht, angefordert werden.
- Die formellen Anforderungen an Bescheinigungen müssen realistisch von den behandelnden Fachkräften erfüllbar sein
Die aktuellen Anforderungen an qualifizierte Bescheinigungen sind zu hoch, sie verlangen von den ausstellenden Gutachter*innen detaillierte Kenntnisse im Asylverfahren und über die Verfolgungsgeschichte, die nicht Teil der Therapie sind und somit in den Ermittlungsbereich des BAMF fallen.
- Ermittlungspflicht muss bei den Behörden liegen:
Den Betroffenen wird durch die überhöhten Anforderungen in unzumutbarer Weise die Beweislast für das Vorliegen ihrer Erkrankung auferlegt. Der geltende Grundsatz der Amtsermittlung, wonach die Behörde alle entscheidungserheblichen Tatsachen aufzuklären hat, wird damit unterlaufen, was die Betroffenen unverhältnismäßig benachteiligt.
- Kosten müssen von den zur Ermittlung verpflichteten Behörden getragen werden
Die Kosten für die Erstellung von ausführlichen, den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden und unabhängigen Expertisen müssen in der Regel die Betroffenen selbst übernehmen, wozu sie mangels finanzieller Mittel oft nicht in der Lage sind. Da die Behörden zur Sachaufklärung verpflichtet sind, müssen sie auch die Kosten dafür übernehmen.