Abschiebung nach Armenien

Bayern schob am 23.02.2021 schwerstkranke Senior:innen und Familien mit kleinen Kindern nach Armenien ab

Wie berichtet wurden am 23.02.2021 Geflüchtete mit einem Sammelcharter nach Armenien abgeschoben. Nach Angaben des Abschiebelandesamts gegenüber dem Magazin Hinterland befanden sich 32 Geflüchtete an Bord der Maschine, 14 weiblich, 18 männlich, das jüngste Kind ein Jahr, der älteste 81 Jahre alt.

Dem Bayerischen Flüchtlingsrat sind mehrere dramatische Fälle bekannt:

Herr A. ist knapp über 60 Jahre alt, multimorbid und lebt in Erlangen. Der am Rollator gehende Mann leidet unter anderem an einer Parese, Rheuma, thorakaler Neuropathie, Pankreatitis und Adipositas. Am Flughafen erleidet Herr A. vor den Augen seiner Frau einen Herzinfarkt. Die Abschiebung wird abgebrochen, Herr A. im Herzzentrum München notoperiert. Mindestens vier Mal hat der Rechtsanwalt des Ehepaars bei der Zentralen Ausländerbehörde von Mittelfranken (ZAB-Mfr) Anträge auf dauerhafte Reiseunfähigkeit gestellt und zahlreiche fachärztliche Atteste eingereicht. Alle Anträge wurden abgelehnt.

Herr B. ist ein 81-jähriger, herzkranker Witwer aus Nürnberg, seine Ehefrau verstarb vor zwei Jahren in Deutschland. B. benötigt einen Pflegedienst, da er alleine die Einnahme seiner lebensnotwendigen Medikamente nicht schafft. Der Verdacht auf Demenz steht im Raum. Sein Sohn, Herr G., betreut seinen Vater daher in allen gesundheitlichen und finanziellen Angelegenheiten. In Armenien hat B. keine Kontakte mehr. Der 81-Jährige wurde bei Ankunft in Armenien in ein Krankenhaus eingeliefert, um am Herzen behandelt zu werden.

Frau C., eine 63-jährige Fürtherin, ist ebenfalls herzkrank und Diabetikerin. Zudem ist sie seit längerem wegen eines gutartigen Hirntumors in Behandlung. Erst im Januar wurde ein weiterer Tumor im Kopf diagnostiziert. Auch bei Frau C. besteht Verdacht auf eine Demenzerkrankung. Frau C. hat den Pflegegrad 3. Da dies eine schwere Beeinträchtigung der Selbstständigkeit bedeutet, durfte sie vor knapp zwei Wochen zu ihrer Familie umziehen. Die Enkelkinder haben die Abschiebung ihrer Großmutter miterlebt. Nun versucht die Familie für Frau C. das von ihr dringend benötigte Medikament Marcumar zu besorgen, da es dieses in Armenien nicht gibt.

Besonders zynisch klingt die Argumentation des Abschiebelandesamts zu diesen Abschiebungen. Es gelte die gesetzliche Vermutung, dass Geflüchtete gesund und reisefähig seien – es sei denn, es gelingt ihnen, fachärztliche Atteste beizubringen, die das Gegenteil beweisen. Sie müssen jedoch strengste formale, gesetzliche Vorgaben einhalten. Ob sie dies erfüllen, prüft jedoch zunächst das Abschiebelandesamt und verwirft viele der Atteste. Dieses gnadenlose vom-Tisch-wischen ärztlicher Atteste ist ein Skandal!

Auch über mehrere betroffene Familien wurde in den Medien berichtet, darunter eine Familie aus dem Landkreis Neumarkt in der Oberpfalz mit 3 Kindern im Alter von zwei, vier und sieben Jahren, die mit dem Flug abgeschoben wurde. Bei einer Familie aus Forchheim mit einem 14jährigen autistischen Kind musste die Abschiebung abgebrochen werden, nachdem der Familienvater drohte, sich anzuzünden. Auch eine 14jährige Gymnasiastin aus Erlangen befand sich mit ihrer Familie an Bord des Abschiebefliegers.

Medienberichte:
Gymnasiastin aus Erlangen nach Armenien abgeschoben (Erlanger Nachrichten, 05.03.2021)
Kritik an Abschiebeversuch von Herzkrankem (Süddeutsche Zeitung, 04.03.2021)
Flüchtlingsrat kritisiert Abschiebung von Kranken (dpa, 03.03.2021)
Herzinfarkt bei Sammelabschiebung nach Armenien! (Bayerischer Flüchtlingsrat, 02.03.2021)
Mühlhausen: Armenische Familie abgeschoben (Neumarkter Nachrichten, 24.02.2021)
Abschiebung abgebrochen: Polizeieinsatz am Forchheimer Seltsamplatz (Nordbayerische Nachrichten, 23.02.2021)