Flüchtlingsrat zeigt Innenministerium wegen Flüchtlingsunterbringung an
Unterbringung in Mehrbettzimmern in allen bayerischen Unterkünften und die Kantinen in ANKER-Zentren verstoßen gegen Verordnungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie
Die Unterbringung in ANKER-Zentren und Gemeinschaftsunterkünften in Bayern verstößt gegen die Verordnungen, die die bayerische Staatsregierung zur Eindämmung der Corona-Pandemie erlassen hat. Wer als Alleinstehender in Mehrbettzimmern untergebracht ist, ist nicht in der Lage, soziale bzw. physische Kontakte außerhalb des eigenen Hausstandes auf ein Minimum zu reduzieren und den vorgeschriebenen Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Das gilt auch für alle Bewohner:innen dieser Flüchtlingslager, die sich gemeinsam Toiletten, Waschräume und Küchen teilen. Zudem verstoßen die Kantinen in den ANKER-Zentren gegen das Gastronomieverbot. Der Bayerische Flüchtlingsrat hat deshalb das bayerische Innenministerium und die Regierungen von Oberbayern, Niederbayern, Oberpfalz, Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Schwaben als vollziehende Behörden wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetz angezeigt.
Der Bayerische Flüchtlingsrat fordert Innenminister Joachim Herrmann auf, schnell für Abhilfe zu sorgen. Es gibt viele leerstehende Unterkünfte, in denen schnell Flüchtlinge untergebracht werden können, um eine Unterbringung in Einzelzimmern zu gewährleisten und die Zahl der Benutzer*innen von Gemeinschaftsküchen, -waschräumen und -toiletten auf ein absolutes Minimum zu reduzieren. Sollten die vorhandenen Kapazitäten nicht für alle Flüchtlinge ausreichen, können leerstehende Hotels angemietet werden. Das ist ein unabdingbarer Beitrag zum Infektionsschutz für Flüchtlinge, die sich dem Infektionsbrandherd Flüchtlingslager gar nicht selbst entziehen können.
Zwar lässt Innenminister Herrmann mitteilen, dass die Regierungen „bereits entsprechende Maßnahmen getroffen [haben], um die Belegung in den Unterkünften soweit wie möglich zu entzerren“. Dennoch sind überall in Bayern Flüchtlinge gemeinsam in Mehrbettzimmern untergebracht, ohne dass sie zum selben Hausstand gehören. Und die Kantinen in den ANKER-Zentren verstoßen gegen das Gastronomieverbot. Selbst wenn man für sie eine Ausnahme als Betriebskantine zulässt, dürfen sich nicht mehr als 30 Menschen gleichzeitig darin aufhalten. Das ist bisher nicht umgesetzt, die Kantine im ANKER-Zentrum Bamberg wurde z.B. verkleinert auf jetzt 300 Plätze.
Wo entschlossenes Handeln zur Eindämmung der Corona-Pandemie notwendig wäre, erklärt Herrmann, die bayerischen Behörden „machen alles Erforderliche, um Infektionsketten in Asylunterkünften von vorneherein zu verhindern beziehungsweise sofort zu durchbrechen. So schützen wir gleichermaßen unsere Bevölkerung und die Bewohner der Asylunterkünfte“. Jedoch lassen sich nur bei neu eingereisten Flüchtlingen die Infektionsketten nachvollziehen. Für alle Menschen, die bereits in Bayern leben, sind die Infektionsketten aber gerade nicht mehr nachvollziehbar. Das Risiko ist immens, dass sich Flüchtlinge beim Einkaufen, beim Arzt- oder Ämterbesuch, in der Arbeit oder beim Personal der Unterkünfte infizieren. Und das Ausspielen „unserer Bevölkerung“ gegen „die Bewohner der Asylunterkünfte“ ist beschämend.
„Die Bayerische Staatsregierung hat in der Vergangenheit die Weichenstellungen dafür getroffen, dass alle neu einreisenden Flüchtlinge in ANKER-Zentren und anschließend in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden müssen. Obwohl alle Expertinnen und Experten davor gewarnt haben, dass diese Großlager ein unbeherrschbares Infektionsrisiko bergen, hat die Staatsregierung an dieser rigiden Lagerunterbringung festgehalten“, kritisiert Alexander Thal, Sprecher des Bayerischen Flüchtlingsrats. „Im Angesicht der Corona-Pandemie muss jetzt alles darangesetzt werden, dass Flüchtlingslager nicht zu Brandherden von Corona-Infektionen werden. Wir raten Innenminister Herrmann und den Bezirksregierungen dringend, Flüchtlinge nur noch im Familienverband oder in Einzelzimmern unterzubringen, alles andere verstößt gegen die von der Staatsregierung angeordneten Infektionsschutzmaßnahmen.“